US-Senat beschließt Reform für besseren Schutz vor Schusswaffengewalt

Einen Monat nach dem Massaker an einer Grundschule in Texas hat der US-Senat ein Gesetz für einen besseren Schutz vor Schusswaffengewalt beschlossen. Die Reform wurde gestern mit einer überparteilichen Mehrheit von 65 zu 33 Stimmen verabschiedet. Experten zufolge handelte es sich um die bedeutendste Verschärfung der Waffengesetze auf Bundesebene seit Jahrzehnten - und das, obwohl es inhaltlich ein überparteilicher Minimalkompromiss war, den Kritiker als völlig unzureichend bezeichneten.

US-Präsident Biden begrüßt den Vorstoß

Der Gesetzestext wird nun an das Repräsentantenhaus weitergeleitet, wo ebenfalls mit einer raschen Zustimmung gerechnet wurde. Anschließend muss Präsident Joe Biden das Gesetz mit seiner Unterschrift in Kraft setzen. Der Demokrat erklärte, "nach 28 Jahren Stillstand" bei den Waffengesetzen hätten Vertreter beider Parteien nun gehandelt, um sich "der Plage der Schusswaffengewalt" entgegenzustellen. "Das überparteiliche Gesetz wird helfen, Amerikaner zu beschützen. Kinder in Schulen und Gemeinschaften werden deswegen sicherer sein", sagte Biden. Er werde das Gesetz unmittelbar nach der Zustimmung des Repräsentantenhauses unterschreiben. Zuvor hatte er das Gesetz als unzureichend, aber als Schritt in die richtige Richtung bezeichnet.

Strengere Gesetze für den Verkauf und das Tragen von Schusswaffen

Das Gesetz sieht unter anderem eine intensivere Überprüfung von potenziellen Waffenkäufern vor, die noch keine 21 Jahre alt sind. Zudem geht es darum, Gesetze aus Bundesstaaten auszuweiten, die es ermöglichen, potenziell gefährlichen Personen Waffen abzunehmen. Illegaler Waffenhandel soll auf Bundesebene bestraft werden können. Zudem sollen Milliarden US-Dollar in die psychische Gesundheitsvorsorge und in Anti-Gewalt-Programme investiert werden. Auch für Schulsicherheit sind Mittel vorgesehen. Das von Biden und anderen Demokraten geforderte Verbot von Sturmgewehren ist in dem Gesetzestext nicht enthalten. Viele Republikaner argumentieren, dass die Häufung von Angriffen mit Schusswaffen auf eine Ausweitung psychischer Krankheiten zurückzuführen ist - und nicht auf die leichte Verfügbarkeit der Waffen. 

US Supreme Court weitet Rechte von Waffenträgern aus

Unterdessen hatte mitten in der Debatte über Schusswaffengewalt das Oberste Gericht des Landes das Recht auf das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit am Donnerstag ausgeweitet. Der Supreme Court hatte ein mehr als 100 Jahre altes Gesetz des Bundesstaats New York gekippt, wonach man einen triftigen Grund nachweisen muss, um eine Lizenz für das verdeckte Tragen einer Handfeuerwaffe außerhalb des Hauses zu erhalten. Ähnliche Gesetze gibt es in Bundesstaaten wie Kalifornien, New Jersey oder Massachusetts. In anderen Teilen der USA gibt es dagegen kaum Einschränkungen. "Wir kennen kein anderes verfassungsmäßiges Recht, das der Einzelne nur ausüben darf, wenn er den Behörden ein besonderes Bedürfnis nachweisen kann", hieß es in der Urteilsbegründung. Gegen das Urteil hatten zwei Männer geklagt. Die Entscheidung des Gerichts fiel sechs zu drei aus - die drei als liberal geltenden Richter schlossen sich der konservativen Mehrheit nicht an.

Entscheidung löst Kritik aus

Richter Stephen Breyer schrieb in einer abweichenden Meinung von "potenziell tödlichen Folgen" der Entscheidung. Präsident Joe Biden kritisierte, dass sie sowohl "dem gesunden Menschenverstand als auch der Verfassung" widerspreche. Es müsse mehr und nicht weniger zum Schutz der Menschen im Land getan werden. "Es stehen Menschenleben auf dem Spiel." New Yorks Gouverneurin Kathy Hochul nannte die Entscheidung "empörend". Die dortige Generalstaatsanwältin Letitia James erklärte: "Seit mehr als einem Jahrhundert hat dieses Gesetz die New Yorker vor Schaden bewahrt, indem es dafür gesorgt hat, dass es vernünftige und angemessene Vorschriften für Schusswaffen im öffentlichen Raum gibt."

Über 50 Tote durch Schusswaffen pro Tag

In den USA sind tödliche Vorfälle mit Schusswaffen trauriger Alltag. Pistolen und Gewehre sind extrem leicht zu kaufen. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC wurden 2020 in den USA etwa 20.000 Menschen erschossen - mehr als 50 pro Tag. Eine übermächtige Waffenlobby macht sich für lockere Regelungen stark - mit Erfolg. Entsetzen hatten zuletzt im Mai die Taten von zwei jungen Männern ausgelöst. Ein 18-Jähriger erschoss aus offenbar rassistischen Gründen in der US-Stadt Buffalo vor einem Supermarkt zehn Menschen. Eine gute Woche später erschoss ein ebenfalls 18 Jahre alter Jugendlicher an einer Grundschule in der Kleinstadt Uvalde im Bundesstaat Texas 19 Kinder und zwei Lehrerinnen. Versuche, das Waffenrecht zu verschärfen, scheitern im Kongress regelmäßig an den Republikanern. Daran könnte sich nun erstmals seit Jahrzehnten etwas ändern.

Miriam Montag, 24. Juni 2022 (dpa).