US-Menschenrechtsbericht: Meinungsfreiheit in Deutschland in Gefahr?
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In seinem Jahresbericht zur weltweiten Menschenrechtslage wirft das US-Außenministerium Deutschland Mängel bei der Meinungsfreiheit vor. In Bezug auf Länder wie El Salvador, Ungarn und Saudi-Arabien hat es den Bericht hingegen entschärft.

Der "2024 Country Reports on Human Rights Practices" des US-Außenministeriums erscheint jährlich und beschreibt die Menschenrechtslage in zahlreichen Ländern. Der diesjährige Bericht stellt jedoch eine Kehrtwende dar. Bereits der Ton des Jahresberichts, den das State Department in Washington am Dienstag veröffentlicht hat, markiert einen Bruch zur Linie der Vorgängerregierungen. Während es im Bericht für 2023 noch hieß, die Menschenrechtslage in Deutschland habe sich nicht wesentlich verändert, liest man dort nun, Deutschland verzeichne "erhebliche Menschenrechtsprobleme". Auch in Frankreich und Großbritannien soll sich die Menschenrechtslage verschlechtert haben.

Scharfe Kritik an Meinungsfreiheit und Antisemitismusbekämpfung

Im Bericht wirft die US-Regierung Deutschland vor, die Meinungsfreiheit im Hinblick auf einzelne Gruppierungen zunehmend einzuschränken. Als Beispiel nennt der Bericht angebliche "Zensur" auf Online-Plattformen wie Facebook oder X auf Grundlage von Gesetzen zur Bekämpfung von Hassrede. So seien 2024 mehrere Personen wegen der Aufstachelung zum Rassenhass oder der Leugnung des Holocaust verurteilt worden, was einen staatlichen Eingriff in die freie Meinungsäußerung darstelle.

Ein weiterer zentraler Vorwurf betrifft die Bekämpfung von Antisemitismus. Der Bericht behauptet, antisemitische Verbrechen hätten sich in Deutschland in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 "mehr als verdoppelt". Gleichzeitig kritisiert die Trump-Regierung, deutsche Behörden legten im Kampf gegen Antisemitismus einen überproportionalen Fokus auf rechtsextreme Täterinnen und Täter und verharmlosten die Rolle eingewanderter Muslime. Als Hauptursache für den wachsenden Antisemitismus führt der Bericht die "Masseneinwanderung" aus Ländern wie Syrien, Afghanistan und der Türkei an.

Offizielle Zahlen widersprechen den US-Darstellungen

Die Aussagen im Bericht stehen allerdings im Kontrast zu den offiziellen Zahlen deutscher Sicherheitsbehörden. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums und des Bundeskriminalamts ist die Zahl antisemitischer Straftaten im Jahr 2024 um rund 20 Prozent gestiegen – der Anstieg erreicht allerdings nicht das im US-Bericht behauptete Maß. Rund 50 Prozent dieser Vorfälle werden dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet. Dieser Bereich verzeichnete mit knapp 50 Prozent auch den stärksten Zuwachs bei den politisch motivierten Straftaten.

Die Trump-Regierung kritisierte in den vergangenen Monaten mehrfach öffentlich die deutsche Innenpolitik. US-Vizepräsident JD Vance hatte bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2025 von "strukturellen Defiziten bei der Meinungsfreiheit" in Europa gesprochen. Außenminister Marco Rubio ging noch weiter: Nach der vorläufigen Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" durch den Verfassungsschutz bezeichnete er Deutschland als eine "verkappte Tyrannei". Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wies diese Einmischung scharf zurück und betonte, dass die Bewertung extremistischer Tendenzen ausschließlich Sache der deutschen Behörden sei.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren politische Schlagseite

Für Menschenrechtsorganisationen in den USA markiert der diesjährige Bericht einen besorgniserregenden Paradigmenwechsel. Die Präsidentin der Organisation Human Rights First, Uzra Zeya, sprach von einem Bruch mit der bisherigen Berichterstattung über Menschenrechtslagen weltweit. Der Bericht diene zunehmend politischen Zwecken, statt sich an überprüfbaren Fakten zu orientieren.

Auch Amnesty International warf dem State Department unter Trump eine selektive Dokumentation vor. Amanda Klasing, Direktorin für Regierungsbeziehungen, kritisierte, dass Menschenrechtsverletzungen in Ländern, mit denen die US-Regierung freundschaftliche Beziehungen pflege, im neuen Bericht systematisch relativiert oder verschwiegen würden.

Belege für diese Vorwürfe liefert der Bericht selbst: So heißt es etwa zu El Salvador, es habe dort 2024 „keine glaubhaften Berichte über bedeutende Menschenrechtsvergehen“ gegeben. Menschenrechtsorganisationen berichten hingegen von massiven Repressionen, Massenverhaftungen und dem systematischen Abbau demokratischer Institutionen unter Präsident Nayib Bukele. Seit März 2022 herrscht im Land der Ausnahmezustand. Über 75.000 Personen wurden in dieser Zeit verhaftet, die meisten ohne rechtsstaatliches Verfahren. El Salvador hatte von der Trump-Regierung zuletzt sechs Millionen Dollar erhalten, um abgeschobene Immigranten in einem Gefängnis unterzubringen.

Regime wie Ungarn, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate, die zu Trumps engen Partnern zählen, werden im Bericht auffallend milde beurteilt. Auch die humanitäre Krise in Gaza wird im Bericht über Israel nicht erwähnt

Redaktion beck-aktuell, jss, 13. August 2025.

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