Urteilsgründe zum "Kreuzerlass" veröffentlicht

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München hat die mit Urteilen vom 01.06.2022 erfolgte Zurückweisung der Klage des Bundes für Geistesfreiheit gegen den sogenannten Kreuzerlass nunmehr begründet und die Berufungszulassungsanträge der ebenfalls klagenden Privatpersonen abgelehnt. Durch die Pflicht zur Anbringung der Kreuze in öffentlichen Dienststellen würden keine Grundrechte verletzt, sodass Kreuze bleiben könnten, betonte Gericht.

Klagen gegen Kreuzerlass waren erfolglos

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte die Klagen des Bundes für Geistesfreiheit Bayern und München sowie von 25 Einzelpersonen, gegen den sogenannten Kreuzerlass, wonach in Bayern im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes gut sichtbar ein Kreuz anzubringen ist, Anfang Juni 2022 abgewiesen. Die Kläger hatten moniert, der in § 28 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) statuierte Kreuzerlass würde sie in ihren Grundrechten verletzen. In der nunmehr veröffentlichen Begründung seiner Entscheidungen betont der Verwaltungsgerichtshof, dass durch den Kreuzerlass das objektiv-rechtliche Neutralitätsgebot des Staates nicht gewahrt werde, weil das Kreuz als Symbol christlich-religiöser Überzeugung und nicht etwa nur als Ausdruck der vom Christentum mitgeprägten abendländischen Kultur anzusehen sei. Den Klägern stehe aber kein Abwehranspruch zur Seite, da die Kläger nicht in ihrem Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit beziehungsweise in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt seien.

Kreuze sind nur passives Symbol ohne missionierende Wirkung

Nach § 28 AGO würden die Kreuze im Eingangsbereich der Dienstgebäude, also in einem Durchgangsbereich angebracht. Behördenbesucher seien nur flüchtig mit solchen Kreuzen konfrontiert. Dies unterscheide den vorliegenden Sachverhalt von Kreuzen in Klassenzimmern. Das im Eingangsbereich staatlicher Dienststellen angebrachte Kreuz sei ein im Wesentlichen passives Symbol ohne missionierende und indoktrinierende Wirkung. Ihm komme keine den christlichen Glauben fördernde und damit die Weltanschauungsfreiheit der Kläger potenziell beeinträchtigende Wirkung zu.

Klagende Einzelpersonen haben keinen Erfolg

Die Klagen der 25 Einzelpersonen auf Aufhebung von § 28 AGO (Az.: 5 N 20.1331) seien mangels Klagebefugnis bereits unzulässig. Es bestehe kein Anspruch auf Aufhebung des § 28 AGO, weil es sich um eine Verwaltungsvorschrift handle, die anders als ein Gesetz keine unmittelbare Außenwirkung entfalte. Erst durch den behördlichen Umsetzungsakt der Anbringung eines Kreuzes in einer Dienststelle könne es zu einer Konfrontation mit dem Glaubenssymbol und damit zu einem möglichen Eingriff in das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit kommen. Die Anträge auf Zulassung der Berufung von 25 Einzelpersonen zur Entfernung der Kreuze (Az.: 5 ZB 20.2243) hat das Gericht im schriftlichen Verfahren abgelehnt und damit das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt. Das Individualrechtschutzsystem der Verwaltungsgerichtsordnung sehe keine Möglichkeit zur Klage von Einzelpersonen auf Entfernung aller Kreuze in allen Dienststellen des Freistaats Bayern vor. Vielmehr müsse jeder Kläger darlegen, durch welches konkrete Kreuz in einer bestimmten Dienststelle er sich persönlich beeinträchtigt fühle. An dieser Darlegung habe es bei den Klägern gefehlt.

VGH München, Urteil vom 01.06.2022 - 5 B 22.674

Redaktion beck-aktuell, 6. September 2022.