Untreueprozess gegen Verantwortliche der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin wird neu aufgerollt

Die Untreuevorwürfe gegen drei ehemalige hauptamtliche Vorstandsmitglieder der kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KVB) sowie deren ehemaligen Vorsitzenden der Vertreterversammlung müssen neu geprüft werden. Der Bundesgerichtshof hat die Freisprüche durch das Landgericht Berlin am 24.11.2020 aufgehoben.

Zwölfmonatiges Übergangsgeld vereinbart

Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die Angeklagten Dr. P., Dr. K. und B. zum 01.01.2005 zu Vorstandsmitgliedern der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin gewählt. Die Dienstverträge enthielten jeweils eine Vereinbarung, nach der den Vorstandsmitgliedern bei Beendigung ihrer sechsjährigen Tätigkeit als Übergangsgeld die Vergütung nebst Zuschüssen für die Dauer von bis zu zwölf Monaten weitergezahlt werde, wenn diese im Anschluss ihre selbständige Tätigkeit als Ärzte wieder ausüben. Mit dieser Regelung sollte den Vorstandsmitgliedern die Wiederaufnahme ihrer ärztlichen Praxistätigkeit finanziell erleichtert werden.

Anpassungsvertrag ohne Wissen der Vertreterversammlung 

Als sich angesichts geänderter Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörden andeutete, dass in künftigen Vorstandsdienstverträgen allenfalls Übergangsgelder für die Dauer von bis zu sechs Monaten akzeptiert würden, wollten die Angeklagten Dr. P., Dr. K. und B daher für die Anfang 2011 stattfindende Vorstandswahl nur dann kandidieren, wenn ihnen das Übergangsgeld in bisheriger Höhe erhalten bleibt. Dementsprechend unterzeichneten die Angeklagten unmittelbar vor der Wiederwahl am 27.01.2011 einen Anpassungsvertrag, nach dem Ende Februar 2011 das Übergangsgeld für zwölf Monate, aber ohne Wiederaufnahme der ärztlichen Tätigkeit ausgezahlt wurde. Der Angeklagte Dr. T. als Vorsitzender der – insoweit allein entscheidungsbefugten – Vertreterversammlung unterzeichnete den Anpassungsvertrag, ohne die Vertreterversammlung hierüber zu informieren.

BGH hebt Freisprüche auf

Das Landgericht Berlin sprach die drei ehemaligen Verantwortlichen der kassenärztlichen Vereinigung Berlin sowie deren ehemaligen Vorsitzenden der Vertreterversammlung vom Vorwurf der Untreue aus rechtlichen Gründen frei. Der Fünfte Strafsenat hat die Freisprüche aufgehoben. Die Begründung des LG, wonach die Angeklagten nicht pflichtwidrig gehandelt hätten, habe revisionsrechtlicher Prüfung nicht standgehalten.

Unzureichende Auslegung der Vereinbarungen moniert

Nach Ansicht des Senats beruht diese Bewertung auf einer unzureichenden Auslegung der getroffenen Vereinbarungen, da für die strafrechtliche Bewertung maßgebliche Umstände aus dem Blick geraten seien. So erscheine die Gewährung des Übergangsgeldes ohne tatsächlich erfolgten "Übergang" als Leistung ohne Gegenleistung. Dies lege einen Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit öffentlicher Verwaltung nahe, so der BGH.

BGH, Urteil vom 24.11.2020 - 5 StR 553/19

Redaktion beck-aktuell, 25. November 2020.