Studierende und gleichzeitig CEO sein? Die Gründe, noch während des Jurastudiums und Rechtsreferendariats ein eigenes Unternehmen zu gründen, sind vielfältig. Einige Studierende möchten Erfahrungen sammeln und ihr theoretisches Wissen direkt in der Praxis anwenden. Andere sehen in der Selbstständigkeit eine Möglichkeit, frühzeitig finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen oder ihre Karriere gezielt in eine bestimmte Richtung zu lenken. Zudem gibt es häufig einen kreativen oder unternehmerischen Antrieb: Viele angehende Juristinnen und Juristen erkennen Marktlücken oder ungenutzte Potenziale im juristischen Bereich, die sie für sich nutzen möchten.
Die Motivation: Wieso überhaupt gründen?
Für die Rechtsreferendarin Saskia Kummerow war es der Wunsch, anderen Jurastudierenden eine Plattform für Austausch und Unterstützung zu bieten. Ihrer eigenen Erfahrung nach fehlte es an Netzwerken für Erstakademikerinnen und Erstakademiker. Das und die Ellenbogenmentalität im Jurastudium führten dazu, dass sie zunächst einen Blog und später ein Einzelunternehmen gründete.
Die Volljuristin Felicitas Famulla sah ihre Leidenschaft für Social Media und den Wunsch nach Veränderung in der juristischen Branche als Antrieb. Ihr Account beyourbestlawstudent wurde zur Plattform für juristische Inhalte, mentale Gesundheit und Selbstorganisation. Zusammen mit Kummerow entwickelte sie daraus ein Unternehmen, das angehende Juristinnen und Juristen unterstützt. Zusätzlich riefen sie gemeinsam Legal & Social ins Leben, eine Marketingagentur, die sich auf Social-Media-Marketing für Kanzleien spezialisiert.
Die Unternehmerin Su Reiter hatte bereits vor ihrem Jurastudium erste Erfahrungen in der Medienbranche gesammelt und nutzte die Verbindung zwischen Medien und Recht für sich. Ihre Gründungsidee: Kanzleien und Rechtsdienstleister im digitalen Bereich sichtbarer machen – eine Marktlücke, die sie mit ihrer Agentur Reiter Media und der Plattform Legalnerd erfolgreich besetzte. Ihre Nebentätigkeit sollte zunächst nur ein "kreativer Ausgleich zum anspruchsvollen Studium" sein. "Das hat sich dann größer entwickelt, so dass ich mich nach kurzer Zeit zwischen Studium und Unternehmertum entscheiden musste", so Reiter.
Die Vorteile: Wieso im Jurastudium und Referendariat gründen?
Gerade während des Jurastudiums den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, bietet einige unerwartete Vorteile. Zum einen haben Studierende noch vergleichsweise viel Zeit und Flexibilität, da sie nicht an feste Arbeitszeiten oder Arbeitgeber gebunden sind. Diese Freiheit erlaubt es ihnen, Geschäftsideen auszuprobieren und schrittweise aufzubauen, ohne sofort auf hohe Einnahmen angewiesen zu sein. Der Vorteil einer Unternehmensgründung im Rechtsreferendariat besteht in der staatlichen Unterhaltsbeihilfe, die einem zumindest zwei Jahre lang den Lebensunterhalt sichert.
Zum anderen bietet das Jurastudium selbst wertvolle Ressourcen: Das im Studium erworbene Wissen über Vertragsrecht, Gesellschaftsrecht oder Steuerrecht kann direkt in die eigene Unternehmensgründung einfließen. Reiter betont, dass der juristische Hintergrund ihr einen Vertrauensvorschuss bei ihren Kunden brachte: "Ich konnte theoretisches Wissen aus dem Jurastudium sehr gut mit der Business-Welt verbinden."
Zudem ermöglicht das universitäre Umfeld den Zugang zu Netzwerken, Förderprogrammen und interdisziplinären Kooperationen, die den Start erleichtern. Wer früh gründet, sammelt bereits unternehmerische Erfahrung und kann sich von der Masse abheben – sei es für eine spätere Selbstständigkeit oder als zusätzliche Qualifikation für die eigene juristische Karriere.
Die Nachteile: Doppelbelastung und "learning by doing"
Ein eigenes Unternehmen zu gründen und zu führen, während man gleichzeitig für das erste oder zweite Staatsexamen lernt, ist eine enorme Herausforderung. Das Jurastudium selbst ist bereits sehr anspruchsvoll und mit einem hohen Lernaufwand, regelmäßigen Prüfungen und der intensiven Vorbereitung auf das Staatsexamen verbunden. Deswegen bleibt oft kaum Raum für Erholung oder soziale Aktivitäten, was langfristig zu Stress und Überlastung führen kann. Die Doppelbelastung zwischen juristischer Ausbildung und Gründung ist daher nur mit gutem Zeitmanagement, klarer Priorisierung und einer strukturierten Selbstorganisation möglich.
"Es war oft sehr viel, mit langen Tagen, Nächten und wenig Wochenenden. Wichtig war, auf meine mentale Gesundheit zu achten und Pausen bewusst einzuplanen", sagt Kummerow. Auch Famulla sieht in einer durchdachten Zeitplanung den Schlüssel zum Erfolg: "Wir haben früh gelernt, effizient zu arbeiten und Aufgaben aufzuteilen." Dabei war die enge Zusammenarbeit der beiden Frauen der Schlüssel zum Erfolg. Sie habe beiden geholfen, sich gegenseitig zu entlasten und Verantwortung zu teilen. Gleichzeitig sei es aber auch wichtig, sich realistische Ziele zu setzen und nicht zu versuchen, alles auf einmal zu schaffen, so Kummerow. Besonders während der Examensvorbereitung ist es für Gründerinnen und Gründer schwer, den Fokus zu behalten. Der Druck, sowohl akademisch als auch unternehmerisch erfolgreich zu sein, ist enorm.
Reiter beschreibt ihre Erfahrung ebenfalls als eine extreme Doppelbelastung: "Ich habe einerseits ein kommerzielles Repetitorium besucht und andererseits meine Selbstständigkeit skaliert. Das erfordert ein sehr gutes Zeitmanagement und schlanke, digitale Prozesse." Sie musste lernen, Prioritäten zu setzen und Aufgaben zu delegieren, um nicht in der Arbeit unterzugehen. "Im Jurastudium lernt man nicht, eine gute Unternehmerin oder eine kompetente Führungskraft zu werden. Das muss man sich 'learing by doing' aneignen."
Die Hindernisse: Bürokratische und finanzielle Hürden
Neben dem herausfordernden Studium haben Jurastudierende und Referendare besonders mit den bürokratischen und finanziellen Hürden zu kämpfen. Bereits die Wahl der richtigen Rechtsform – ob Einzelunternehmen, GbR oder GmbH – erfordert fundierte Überlegungen, da jede Variante unterschiedliche rechtliche und steuerliche Implikationen mit sich bringt. Hinzu kommen Gewerbeanmeldung, steuerliche Registrierung und gegebenenfalls die Eintragung ins Handelsregister. Auch Buchhaltung, Steuererklärung und Sozialversicherungsbeiträge erfordern Wissen und Zeit.
Die juristische Ausbildung kann Gründerinnen und Gründern zwar dabei helfen, kluge Entscheidungen zu treffen und rechtliche Risiken besser abzuschätzen. Dennoch geht die unternehmerische Praxis oft weit über das hinaus, was im Studium vermittelt wird. Kummerow und Famulla berichten, dass ihnen die vielen verschiedenen Anforderungen anfangs Probleme bereiteten. "Unternehmertum erfordert viele zusätzliche Fähigkeiten – von Marketing über strategische Planung bis hin zu Finanzmanagement", so Kummerow.
Besonders kompliziert wird es für Referendarinnen und Referendare, da sie sich in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis (oder je nach Bundesland sogar einem Beamtenverhältnis) befinden. Nebentätigkeiten sind deswegen meist genehmigungspflichtig. Da die erste Priorität dem Referendariat gilt, sind Nebentätigkeiten (egal in welcher Form) nur unter bestimmten Bedingungen und in zeitlich reduziertem Umfang erlaubt. Hier müssen die Regelungen der jeweiligen Ausbildungsordnungen genau geprüft werden, um Konflikte oder gar eine Ablehnung der Gründung oder Selbstständigkeit zu vermeiden.
Das Ass im Ärmel: Unterstützung und die Bedeutung von Netzwerken
Ein starkes Netzwerk kann den Weg zur Gründung oder in die Selbstständigkeit erheblich erleichtern. Mentorinnen und Mentoren können wertvolle Einblicke geben, auf typische Anfängerfehler hinweisen und strategische Ratschläge liefern. Doch gerade in der juristischen Ausbildung fehlt oft eine Kultur des Unternehmertums.
Für Reiter war der Mangel an Mentorinnen und Vorbildern eine Herausforderung: "Ich hatte niemanden, der diesen speziellen Weg vor mir gegangen ist. Also habe ich mir alles selbst erarbeitet. Rückblickend bin ich aber sehr froh darüber, denn so konnte ich meine Ideen, Vorstellungen und Wünsche frei gestalten und auch umsetzen." Doch die Gründerin hätte auch gerne den einen oder anderen Fehler frühzeitig vermieden. "Gerade am Anfang habe ich meine Dienstleistungen unter Wert verkauft", sagt sie.
Die fehlende Unterstützung aus der akademischen Welt war auch für Kummerow und Famulla eine Hürde: "Unsere Idee wurde oft belächelt und nicht ernst genommen. Wir mussten uns vieles selbst beibringen und haben uns vor allem auf unsere eigene Entschlossenheit verlassen." Die beiden Gründerinnen hätten rückblickend gerne früher in ein gutes Netzwerk investiert. Ein weiterer wichtiger Punkt: die Work-Life-Balance. "Man neigt dazu, sich komplett in das Projekt zu stürzen und alles andere zu vernachlässigen", so Kummerow. Doch langfristiger Erfolg sei nur möglich, wenn man auch auf sich selbst achte.
Alle drei Gründerinnen sind der Meinung, das Jurastudium bereite zwar intensiv auf das Staatsexamen vor, aber nicht auf das echte Arbeitsleben – und schon gar nicht auf eine unternehmerische Karriere. Sinnvoll wären mehr praxisnahe Kurse, die sich mit Unternehmensgründung, Finanzierung und Business-Strategie beschäftigen. "Ich wünsche mir eine juristische Ausbildung, die sich nah an der Wirtschaft orientiert und insbesondere den Austausch zwischen Praktikerinnen und Praktikern sowie Studierenden fördert", betont Reiter. Das könne auch helfen, das Bewusstsein für alternative Karrierewege zu stärken, von denen es zahlreiche gibt. Schließlich will nicht jeder Jurastudent und jede Jurastudentin am Ende Richter oder Richterin werden.
Die Autorin Dr. Jannina Schäffer ist Gründerin und Chefredakteurin des Online Magazins "JURios – kuriose Rechtsnachrichten". Die Volljuristin hat berufsbegleitend an der Deutschen Hochschule der Polizei promoviert und ist Lehrbeauftragte an der FernUni Hagen sowie Mitarbeiterin bei Alpmann Schmidt.