Der künftige Bundesinnenminister Alexander Dobrindt will einen Tag nach seinem geplanten Amtsantritt verstärkte
Zurückweisungen von Migranten und vermehrte Kontrollen an den deutschen Außengrenzen anordnen. "Die ersten Entscheidungen werden nach Amtsantritt an diesem Mittwoch getroffen. Dazu werden die Grenzkontrollen hochgefahren und die Zurückweisungen gesteigert", sagte der CSU-Politiker der Bild am Sonntag. Grenzschließungen
werde es nicht geben. "Die Zahlen bei der illegalen Migration müssen runter. Damit Humanität und Ordnung gleichermaßen gelingt, braucht es Kontrolle, Klarheit und Konsequenz. Dazu bereiten wir nationale und europäische
Entscheidungen vor", sagte Dobrindt weiter.
Beobachter erwarten, dass zumindest vorübergehend mehr Bundespolizisten an die Grenze geschickt werden. Was sich sonst noch ändern wird, ist dagegen noch unklar. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) reagiert jedenfalls skeptisch auf Dobrindts Ankündigung. Auch die GdP sei für Maßnahmen zur Eindämmung der irregulären Migration, sagte Andreas Roßkopf, Vorsitzender des GdP-Bezirks Bundespolizei und Zoll. Eine deutliche Erhöhung der Zahl der Polizistinnen und Polizisten an der Grenze sei bei der aktuellen Personalstärke aber dauerhaft nicht durchzuhalten.
Kein "Ping-Pong-Spiel" mit den Nachbarn
Zweifel äußerte der Gewerkschafter zudem an den Ankündigungen von Unionspolitikern, auch Asylsuchende an den deutschen Landgrenzen zurückzuweisen, ohne Einverständnis von Nachbarstaaten wie Polen oder Österreich. "Es darf ab Mittwoch kein Ping-Pong-Spiel mit den Nachbarländern geben", warnte Roßkopf. Er fügte hinzu: "Wenn wir Asylbewerber zurückweisen sollen, dann muss es rechtssicher sein - und da fehlt mir bisher die Antwort."
Am Dienstag soll CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag zum Bundeskanzler gewählt werden. Der künftige Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) hatte zuletzt erneut schärfere Grenzkontrollen ab dem ersten Tag der neuen Regierung angekündigt - wenn auch mit zeitlicher Begrenzung. "Es geht um intensive Kontrollen in einer kurzen Zeitspanne, denn wir wollen dauerhaft weder die Freizügigkeit in der EU einschränken noch das Schengen-Abkommen außer Kraft setzen", sagte er. Stationäre Grenzkontrollen dürften nur eine temporäre Maßnahme sein.
CDU: Hilfe für Afghaninnen und Afghanen soll gestoppt werden
Die neue Bundesregierung plant auch, freiwillige Bundesaufnahmeprogramme wie beispielsweise aus Afghanistan zu stoppen. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es: "Wir werden freiwillige Bundesaufnahmeprogramme so weit wie möglich beenden und keine neuen Programme auflegen."
Derzeit warten rund 2.500 Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusagen aus Deutschland in Pakistan auf ihre Einreise. Unter den Menschen mit Aufnahmezusage sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums etwa 350 ehemalige Ortskräfte deutscher Institutionen mit ihren Angehörigen. Frei will diese Menschen nun nicht automatisch einreisen lassen. Unionspolitiker hatten die Fortsetzung der Aufnahmen durch die geschäftsführende Bundesregierung in der Vergangenheit bereits kritisiert. "Deshalb wird die neue Bundesregierung (...) sehr genau prüfen, wo es
bei den Verpflichtungen, die die bisherige Bundesregierung eingegangen ist, Spielräume gibt, anders zu entscheiden. Und wo immer das möglich ist, werden wir das tun", sagte Frei. Über Abschiebungen von abgelehnten Asylsuchenden aus Syrien und Afghanistan sagte der künftige Kanzleramtschef: "Gehen Sie davon aus, dass wir sehr schnell damit beginnen."
Ampel weitete Grenzkontrollen aus
In der Ampel-Koalition gab es anfangs kaum Befürworter fester Grenzkontrollen, die im sogenannten Schengen-Raum eigentlich nicht vorgesehen sind. Dennoch hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht nur die 2015 begonnenen Kontrollen an der Landgrenze zu Österreich mehrfach verlängert. Sie hatte solche temporären Kontrollen
Mitte Oktober 2023 auch für die Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz angeordnet und bei der EU-Kommission notifiziert. Im vergangenen September entschied sie dann, dass es solche Kontrollen - die eine Voraussetzung für Zurückweisungen sind - auch an den restlichen Grenzabschnitten geben solle.
"Ich bin sehr gespannt, inwieweit die Ankündigungen des Oppositionspolitikers Dobrindt mit den Taten des Innenministers Dobrindt übereinstimmen werden", sagte der frühere Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) der Rheinischen Post.
Im vergangenen Jahr hatten 229.751 Menschen erstmals in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Das waren rund 100.000 Asyl-Erstanträge weniger als im Jahr zuvor. Zu den Hauptherkunftsländern gehören derzeit Syrien, Afghanistan und die Türkei. Eine Hauptursache für den Rückgang ist nach Einschätzung des Chefs des Bundesamts für Migration
und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, dass Serbien im November 2023 die Flüchtlingsroute nach Ungarn faktisch gesperrt habe. Ob dies dauerhaft so bleiben werde, sei offen, sagte Sommer in einer Rede Ende März.
Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD vereinbart: "Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen." Zwischen Union
und SPD ungeklärt ist aber, ob "in Abstimmung" bedeutet, eine Zustimmung der Nachbarn einzuholen oder sie lediglich zu konsultieren.