Ungarn: Nichtregierungsorganisationen brauchen künftig eine Registrierung

Die Regierung von Viktor Orban schneidet von den Bürgerrechten ein weiteres Scheibchen ab. Nach repressiven Medien- und Hochschulgesetzen sollen nun kritische Menschenrechtsvereine unter Druck gesetzt werden. Künftig müssen sich zivile Organisationen in Ungarn, die Unterstützung aus dem Ausland erhalten, gerichtlich registrieren lassen und die Spender offen legen. Dies sieht ein am 13.06.2017 vom Parlament beschlossenes Gesetz vor. Betroffen sind Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die jährlich 24.000 Euro an ausländischen oder direkten EU-Hilfen erhalten. Darüber hinaus müssen sie in allen ihren Publikationen die Bezeichnung "auslandsgeförderte Organisation" führen.

Pflicht zur Offenlegung für Zivilorganisationen nicht neu

Für das Gesetz über die Transparenz auslandsgeförderter Organisationen stimmten die 130 Abgeordneten der regierenden Fidesz-Partei des rechts-konservativen Regierungschefs Viktor Orban. Die Abgeordneten der linken und liberalen Opposition stimmten dagegen, die der rechtsextremen Jobbik-Partei enthielten sich der Stimme. Die Regierung begründete die Notwendigkeit des Gesetes damit, dass "die Menschen" in Ungarn wissen sollen, welche "von ausländischen Interessen gesteuerte Lobbys" die Regierung kritisieren. Tatsächlich galten aber auch schon vor diesem Gesetz Offenlegungspflichten für Zivilorganisationen.

Scharfe Kritik am NGO-Gesetz

Das NGO-Gesetz wurde unter anderem vom Europaparlament kritisiert. Schwerwiegende Einwände formulierte auch die Venedig-Kommission des Europarats, ein Gremium angesehener Staats- und Verfassungsrechtler. Vor allem die Pflicht, sich gewissermaßen selbst als "auslandsgeförderte Organisation" stigmatisieren zu müssen, "droht diese Organisationen (...) im gegebenen ungarischen Kontext in ihren legitimen Aktivitäten nachhaltig zu beeinträchtigen", heißt es in der zu Monatsbeginn veröffentlichten Stellungnahme der Venedig-Kommission.

Kleine Schönheitskorrekturen am Gesetz vorgenommen

Vor der Schlussabstimmung billigte die Regierungsmehrheit noch mehrere kleinere Änderungen am Gesetzestext. So sind nun auch Vereine der ethnischen Minderheiten, etwa der Ungarndeutschen, von den Bestimmungen des Gesetzes ausgenommen. Kirchliche und Sportvereinigungen waren dies schon im ursprünglichen Entwurf. Die von der Venedig-Kommission beanstandeten Schlüssel-Stellen berühren die Änderungen nicht.

NGOs wollen gegen Gesetz vorgehen

Zwei von der Gesetzgebung betroffene NGOs - das Helsinki-Komitee und die Bürgerrechtsvereinigung Tasz - kündigten an, sich nicht an die Bestimmungen des Gesetzes halten und zivilen Ungehorsam üben zu wollen. "Wir sind uns im klaren darüber, dass gerichtliche Verfahren gegen uns angestrengt werden können“, sagte Tasz-Geschäftsführerin Stefania Kapronczay. "Aber uns schreckt das nicht." Man werde alle juristischen Möglichkeiten bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausschöpfen, um das repressive Gesetz zu bekämpfen, fügte sie hinzu.

Monatelange Kampagne ging dem Gesetz voraus

Der Annahme des NGO-Gesetzes war eine monatelange Kampagne vorausgegangen, in der regierungskritische Vereinigungen wie Tasz und das Helsinki-Komitee an den Pranger gestellt wurden. Die Organisationen, die sich für Bürgerrechte und Flüchtlinge einsetzen, erhalten auch Förderungen von den Stiftungen des US-Milliardärs George Soros. Bereits im April hatte das Parlament ein neues Hochschulgesetz gebilligt, das die von Soros gegründete Central European University (CEU) in Budapest zur Schließung zwingen könnte.

Redaktion beck-aktuell, 14. Juni 2017 (dpa).

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