Umstrukturierung des zyprischen Bankensektors: EuG weist Schadensersatzklagen mehrerer Bankkunden und Anleger ab

Das Gericht der Europäischen Union hat mit Urteilen vom 13.07.2018 Schadensersatzklagen mehrerer zyprischer Bankkunden und Anleger abgewiesen, die Verluste aus der im Zuge der Gewährung von ESM-Finanzhilfen erfolgten Umstrukturierung des zyprischen Bankensektors geltend gemacht hatten. Ansprüche aus außervertraglicher Haftung der Union bestünden nicht. Der Europäischen Union könne kein rechtswidriges Verhalten vorgeworfen werden (Az.: T-680/13 und T-786/14).

ESM und Zypern vereinbarten Memorandum of Understanding über Umstrukturierungsmaßnahmen

2012 gerieten mehrere zyprische Banken, darunter die Cyprus Popular Bank (Laïki) und die Trapeza Kyprou Dimosia Etaireia (Bank of Cyprus oder BoC), in finanzielle Schwierigkeiten. Die zyprische Regierung bat deshalb den Präsidenten der Euro-Gruppe um finanzielle Unterstützung. Dieser antwortete darauf, dass die gewünschte finanzielle Unterstützung vom Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) im Rahmen eines makroökonomischen Anpassungsprogramms gewährt werde, das in einem Memorandum of Understanding (MoU) zu konkretisieren sei. Die Verhandlungen über dieses Protokoll wurden von der Kommission zusammen mit der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auf der einen und den zyprischen Behörden auf der anderen Seite geführt. Das MoU wurde daraufhin von der Kommission (im Namen des ESM) und Zypern unterzeichnet, und der ESM gewährte Zypern eine finanzielle Unterstützung.  

Bankkunden und Anleger klagten beim EuG auf Schadensersatz

Mehrere Einzelpersonen und Gesellschaften waren damals Inhaber von Einlagen bei der Laïki oder der BoC oder waren Aktionäre oder Anleihegläubiger dieser Banken. Die betroffenen Einzelpersonen und Gesellschaften machten geltend, dass die Durchführung der mit den zyprischen Behörden vereinbarten Maßnahmen zu einem erheblichen Wertverlust ihrer Einlagen, Aktien und Anleihen geführt habe. Sie erhoben beim EuG Klage aus außervertraglicher Haftung auf Ersatz der Verluste, die ihnen durch diese Maßnahmen entstanden sein sollen.

EuG: Kein Anspruch auf Schadensersatz aus außervertraglicher Haftung

Das EuG hat die Klagen abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus außervertraglicher Haftung. Es fehle an der Rechtswidrigkeit des der EU vorgeworfenen Verhaltens. Hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung ihres Eigentumsrechts verweist das EuG zunächst auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs von 2016 (BeckRS 2016, 82306). Darin habe der EuGH bereits drei der gemäß dem MoU verhängten Maßnahmen geprüft: die Übernahme der gesicherten Einlagen der Laïki durch die BoC und den Verbleib der ungesicherten Einlagen bei der Laïki bis zu ihrer Abwicklung, die Umwandlung von 37,5% der nicht gesicherten Einlagen der BoC in Aktien mit vollem Stimmrecht und Dividendenansprüchen und das vorübergehende Einfrieren eines weiteren Teils der nicht gesicherten Einlagen. Der EuGH habe entschieden, dass diese Maßnahmen nicht als unverhältnismäßig angesehen werden könnten. Laut EuG haben die Kläger keine Umstände dargetan, die belegten, dass diese Schlussfolgerung im vorliegenden Fall nicht gelte.

Umwandlung der BoC-Anleihen in Aktien und Nennwertminderung der BoC-Aktien zur Wiederherstellung des Eigenkapitals erforderlich

Auch die weiteren Maßnahmen im Zusammenhang mit der Minderung des Nennwerts der Stammaktien der BoC und betreffend den Verkauf der griechischen Niederlassungen der BoC und der Laïki sind dem EuG zufolge mit dem Eigentumsrecht vereinbar. Die Umwandlung der Anleihen von BoC in Aktien und die Minderung des Nennwerts der Aktien der BoC bezweckten, das Eigenkapital der BoC wiederherzustellen und damit die Stabilität des zyprischen Finanzsystems und des Finanzsystems der gesamten Euro-Zone sicherzustellen. Es handele sich um eine Maßnahme, die in angemessenem Verhältnis zum angestrebten Ziel stehe, da weniger einschränkende Maßnahmen nicht durchführbar gewesen wären oder die Erzielung der gewünschten Ergebnisse nicht ermöglicht hätten. Folglich sei diese Maßnahme nicht unverhältnismäßig.

Verkauf griechischer BoC-Niederlassungen zur Vermeidung eines Ansteckungseffekts gerechtfertigt  

Was den Verkauf der griechischen Niederlassungen betreffe, habe sein Zweck darin bestanden, einen Ansteckungseffekt zwischen dem zyprischen und dem griechischen Banken- und Finanzsystem zu verhindern, um die Finanzstabilität zu gewährleisten. Angesichts der Bedeutung der verfolgten Ziele und des Umstands, dass sich der Verkauf im Rahmen eines offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens vollzogen habe, stelle der Verkauf der griechischen Niederlassungen keinen Verstoß gegen das Eigentumsrecht dar.  

Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht verletzt  

Zum Grundsatz des Vertrauensschutzes weist das Gericht darauf hin, dass sich der Betroffene darauf nur berufen könne, wenn ihm klare, unbedingte und übereinstimmende, aus befugten und zuverlässigen Quellen stammende Zusicherungen durch die zuständigen Unionsbehörden gemacht wurden. Die Kläger hätten geltend gemacht, dass die zuständigen Unionsbehörden ihnen übereinstimmende und klare Zusicherungen gemacht hätten, dass die im MoU vorgesehenen Maßnahmen Zypern nicht auferlegt würden. Laut EuG können die Kläger aber aus keiner der Handlungen und Verhaltensweisen, auf die sie sich in ihren Klagen beriefen, ein schutzwürdiges Vertrauen herleiten.  

Inhaber ungesicherter Laïki-Einlagen gegenüber ELA-Gläubiger nicht diskriminiert  

Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung liege nicht vor, so das EuG weiter. Die Kläger hätten geltend gemacht, dass die Inhaber nicht gesicherter Einlagen der Laïki gegenüber den Gläubigern der Laïki, deren Ansprüche auf die Laïki gewährte außerordentliche Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance oder ELA) beruht hätten, diskriminiert worden seien. Denn soweit die Verbindlichkeiten der Laïki aus der ELA auf die BoC übertragen worden seien, könnten sich diese Gläubiger an die BoC wenden, während die Verbindlichkeiten der Laïki gegenüber den Inhabern nicht gesicherter Einlagen annulliert würden. Das Gericht weist hierzu darauf hin, dass allein die Zentralbank von Zypern der Laïki die ELA gewährt und daher eine Forderung gegen die Laïki habe. Während ein privater Wirtschaftsteilnehmer (wie die Inhaber nicht gesicherter Einlagen und die Aktionäre der genannten Banken) einzig in seinem privaten Vermögensinteresse handele, seien die Entscheidungen einer Zentralbank des Eurosystems (wie der Zentralbank von Zypern) ausschließlich durch Ziele des Allgemeininteresses geleitet, so dass die Situationen, in denen sich diese beiden Kategorien von Personen befänden, nicht vergleichbar seien und daher nicht von einer Diskriminierung die Rede sein könne.

Inhaber von Einlagen von mehr als 100.000 Euro gegenüber Inhabern von geringeren Einlagen nicht diskriminiert

Außerdem hätten die Kläger geltend gemacht, dass jene unter ihnen, deren Einlagen bei den genannten Banken 100.000 Euro überschritten, gegenüber den Inhabern geringerer Einlagen benachteiligt würden. Denn die Einlagen bis zur Höhe von 100.000 Euro seien vollständig von dem zyprischen Einlagensicherungssystem gedeckt, während höhere Einlagen nur bis zur Höhe von 100.000 Euro gedeckt seien. Zudem seien sie gegenüber Einlegern, Aktionären und Anleihegläubigern der Banken in anderen Mitgliedstaaten, die vor Zypern eine finanzielle Unterstützung erhalten hätten, diskriminiert worden, da diese Unterstützung stets höher gewesen sei, als die Zypern gewährte Finanzhilfefazilität, ohne dass die Einlagen, Aktien und Anleihen der Banken in diesen Mitgliedstaaten betroffen gewesen seien. Schließlich seien sie auch gegenüber Anteilseignern im Sektor der Genossenschaftsbanken benachteiligt worden, da diese nicht mit Eigenmitteln saniert worden seien. Nach Ansicht des EuG handelt es sich aber um unterschiedliche Sachverhalte, die nicht vergleichbar seien, so dass eine rechtswidrige Diskriminierung nicht festgestellt werden könne.

Ungleichbehandlung gegenüber Einlageninhabern bei griechischen Niederlassungen zur Ansteckungsvermeidung gerechtfertigt

Schließlich seien die Kläger entgegen ihrer Ansicht auch nicht gegenüber den Inhabern von Einlagen bei griechischen Niederlassungen aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert worden. Die Kläger hätten moniert, während die Gewährung der Finanzhilfefazilität an die Bedingung geknüpft worden sei, dass die zyprischen Behörden eine Maßnahme der Sanierung mit Eigenmitteln erließen, die die Einlagen bei den genannten Banken in Zypern treffe, habe die Gewährung der Finanzhilfefazilität in Bezug auf die Einlagen bei denselben Banken in Griechenland nicht unter einer vergleichbaren Bedingung gestanden. Laut EuG liegt insoweit zwar eine unterschiedliche Behandlung vor. Diese sei aber durch das Erfordernis gerechtfertigt, eine Ansteckung von dem zyprischen Banksystem auf das griechische Finanzsystem zu verhindern.

EuG, Urteil vom 13.07.2018 - T-680/13

Redaktion beck-aktuell, 16. Juli 2018.

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