Umfrage zum Fremdbesitzverbot: Das BMJ bittet die Anwälte um ihre Meinung
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Der AGH München bezweifelt es, der Justizminister will es prüfen: Das Fremdbesitzverbot an Anwaltskanzleien wackelt. Jetzt können Anwälte in einer kurzen Umfrage selbst mitreden: Sehen sie anwaltliche Grundwerte in Gefahr oder wollen sie ihre Kanzleien auch mit externem Kapital für die Zukunft aufstellen können?

Mit einem Sondernewsletter hat die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) am Donnerstag auf eine Umfrage innerhalb der Anwaltschaft aufmerksam gemacht. Mit Hilfe der Dachorganisation der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte will das Bundesjustizministerium (BMJ) demnach wissen, was die Anwaltschaft von Überlegungen hält, das Fremdbesitzverbot zu lockern.

Mit dem etwas framenden Begriff des "Fremdbesitzverbots" ist gemeint, dass Anwalts- und Patentanwaltskanzleien aktuell kein Kapital von extern beschaffen können. Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) gestattet nur eine gemeinsame Berufsausübung mit bestimmten, abschließend festgelegten Berufsgruppen und wer in einer Berufsausübungsgemeinschaft tätig sein will, muss dort auch aktiv mitarbeiten. Eine bloße Kapitalbeteiligung ohne Berufsausübung gibt es nach geltendem Recht bei reinen Anwaltskanzleien also nicht.

Das ist seit jeher nicht unumstritten. In den vergangenen Jahren gewann die Diskussion zunehmend an Brisanz, seit diesem Jahr liegt die Frage sogar in Luxemburg. Der Anwaltsgerichtshof in München bezweifelt, ob das Verbot europarechtskonform ist und hat es mit Blick auf die Dienstleistungsfreiheit, die Freiheit des Warenverkehrs und die Niederlassungsfreiheit dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt (AGH Bayern, Vorlagebeschluss vom 20.04.2023 – III-4-20/21). Und auch auf der Ebene des Gesetzgebers scheint sich etwas zu bewegen. Nach Ankündigungen, Lockerungen des Verbots zu überdenken, steigt das Bundesjustizministerium von Marco Buschmann (FDP) offenbar jetzt mit Hilfe der BRAK in die Vorprüfungen ein. Und will zuerst einmal wissen, ob die Anwaltschaft selbst sich denn Änderungen am Fremdbesitzverbot wünscht. Anwältinnen und Anwälte können sich hier auf der Seite der BRAK an der Umfrage beteiligen, das Ausfüllen dauert nur wenige Minuten.

Nötige Kapitalisierung oder das Ende anwaltlicher Grundwerte?

Mit der Umfrage wolle das BMJ ergründen, ob die Anwaltschaft einen Bedarf für die Beteiligung von reinen Kapitalgebern an (patent-)anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften sieht und wie Anwältinnen und Anwälte mögliche Konflikte mit der anwaltlichen Unabhängigkeit einstufen, heißt es auf der Webseite der BRAK.

Diese anwaltliche Unabhängigkeit, die Verschwiegenheit und vielleicht noch manch anderen insbesondere von Berufsorganisationen gern angeführten "core value" der Anwaltschaft soll das Fremdbesitzverbot nämlich schützen. Auch die die Umfrage durchführende BRAK teilte noch im Juli mit, das aktuelle strikte Fremdbesitzverbot für unionsrechtskonform zu halten. Mildere Mittel wie quantitative Deckelungen für extern gehaltene Anteile, die Beschränkung der Berufsausübung auf zugelassene Anwältinnen und Anwälte oder auch gesetzliche Vorgaben, um die anwaltliche Verschwiegenheit sicherzustellen, genügen den Verfechtern des strikten Verbots nicht.

Die Fragen sind nicht neu, stellen sich aber in den vergangenen zehn Jahren dringender, weil der Kapitalbedarf in Kanzleien durch Digitalisierungserfordernisse steigt und gleichzeitig Legal-Tech-Unternehmen entstanden sind, die nicht als Kanzleien organisiert sind, aber vor allem in Bereichen standardisierbarer Fallkonstellationen zunehmend in Konkurrenz zur Anwaltschaft treten. Die Unternehmen unterliegen dem Fremdbesitzverbot nicht und können so das Kapital, das für die in der Regel nicht unerheblichen Investitionen in die digitale Infrastruktur für die Abwicklung standardisierbarer Massenverfahren nötig ist, von extern beschaffen. Kanzleien hingegen müssten die Investitionen in Software, Prozesse und Projektmanagement allein stemmen. So macht die Digitalisierung ein systemimmanentes Problem sichtbar und größer, das dafür sorgen könnte, dass Kanzleien sich am Markt der lukrativen Massenverfahren schlicht mangels Ressourcen nicht beteiligen können und so gegenüber der nichtanwaltlichen Legal-Tech-Konkurrenz genau dort, wo finanziell viel zu holen ist, weiter ins Hintertreffen geraten.

Wie viele Anwältinnen und Anwälte selbst Interesse daran haben, mehr Kapital für die eigene bessere digitale Ausstattung zu generieren oder der Anwaltschaft ermöglichen wollen, in größerem Stil Mandate skalierbar zu bearbeiten, das können sie jetzt kundtun, indem sie an der Umfrage der BRAK teilnehmen. Auch zu den Fragen, ob man einer möglichen Aufweichung anwaltlicher Werte nicht mit gesetzgeberischen Maßnahmen vorbeugen kann und wie viel externes Kapital man sich eigentlich gern in die Kanzlei holen würde, kann man sich äußern. Beteiligen könnten sich übrigens auch Nicht-Anwälte, es gibt keinen Konnex zum Anwaltsverzeichnis oder zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA), sondern bloß die Bitte, dass man sich nur mit Zulassung an der Umfrage beteiligen möge. 

Redaktion beck-aktuell, Pia Lorenz, 19. Oktober 2023.