Bei Einmalzahlungen Auto nicht zurückzugeben
Volkswagen hatte Klägern mit eigenen Prozessen Einmalzahlungen in Aussicht gestellt, die individuell berechnet werden sollen. Wer das Geld annimmt, kann auch sein Auto behalten. Die Alternative ist, das Urteil im eigenen Verfahren abzuwarten, bei dem sich die Richter an der Auslegung des Bundesgerichtshofs orientieren dürften. Dann könnte unter Umständen der Kaufpreis abzüglich eines Nutzungsbeitrags fließen. Die Kunden müssen den Wagen dann jedoch zurückgeben.Keine vorab definierter Betrag für jedes Automodell und -alter
Anders als bei der Musterfeststellungsklage, die unter der Regie des Verbrauchzentrale Bundesverbands (vzbv) geführt wurde, gibt es für Einzelkläger wegen der Vielfalt der möglichen Konstellationen keine einheitliche Tabelle, aus der sich vorab definierte Summen für jedes Automodell und -alter ergeben. Es geht um Einzelregelungen. Dabei kommt es ebenfalls etwa auf die Nutzungsdauer und das Alter an.
Einzelprüfungen noch in "einigen wenigen Fällen"
Im Mustervergleich hatten Juristen von vzbv und VW nach einigem Hin und Her für die teilnehmenden Kunden je nach Fahrzeug zwischen 1.350 und 6.257 Euro vereinbart. So gut wie alle als berechtigt erachteten Ansprüche – 245.000 Fälle – seien jetzt per Vergleich abgegolten, hieß es aus dem Konzern. Man habe dafür mehr als 750 Millionen Euro ausgezahlt. In "einigen wenigen Fällen" liefen noch Einzelprüfungen.
Motor EA 189 im Zentrum des Musterverfahrens
Im Musterverfahren ging es um den "Skandalmotor" EA 189. Zum neueren Antrieb EA 288, der laut VW keine unzulässige Abschalteinrichtung hat, gibt es ebenfalls Klagen – hierbei hätten Gerichte zu 99% zugunsten des Herstellers entschieden, wie rund 1.200 Urteile zeigten. Etwa 5.000 Klagen seien anhängig, Vergleiche würden nicht angeboten.
Bereits mehrere Grundsatz-Urteile des BGH
Beim "Dieselgate"-Motor EA 189 waren unabhängig von der Musterklage des vzbv etliche weitere Autobesitzer, die sich wegen gefälschter Abgaswerte von Volkswagen geprellt sahen, selbst vor Gericht gezogen – oft in Erwartung höherer Entschädigungen. Nach Tausenden Verfahren vor Amts-, Landes- und Oberlandesgerichten war der erste solche Fall im Mai 2020 zur Verhandlung an den BGH gelangt. Die obersten Zivilrichter entschieden in weiten Teilen zugunsten des Klägers, setzten aber auch Leitplanken für ähnlich gelagerte Fälle. Im Juli 2020 folgten dann weitere BGH-Urteile zu Grundsatzthemen wie Kaufzeitpunkt oder Deliktzinsen.
Kaum Chance auf Schadenersatz bei VW-Kauf erst in 2019
Besonders strittig war bis zuletzt auch die Frage der Verjährung von Schadenersatzansprüchen. Mitte Dezember 2020 deutete der BGH anhand eines Beispielfalls an: Dieselkunden, die erst 2019 oder 2020 gegen VW klagten, dürften wohl in den meisten Fällen leer ausgehen. Denn im Herbst 2015, als der millionenfache Betrug mit illegaler Abgastechnik aufflog, sei das Thema schon genügend bekannt gewesen, um vor Gericht zu ziehen. Wer damals nachweislich wusste, dass auch sein Auto betroffen ist, hätte demnach bis spätestens Ende 2018 klagen müssen. Die gesetzlich vorgesehene Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Eine Ausnahme gibt es laut Rechtsprechung des BGH nur, wenn die damalige Rechtslage zunächst so unsicher und zweifelhaft erschien, dass die Erhebung einer Klage unzumutbar gewesen sei. Eine solche Situation sahen die Karlsruher Richter bei den VW-Dieseln aber nicht.
Laut VW noch rund 9.000 Verfahren offen
Nach Konzernangaben waren jüngst noch rund 9.000 Verfahren offen, in denen erst 2019 oder 2020 geklagt wurde. Volkswagen geht jedoch nicht davon aus, dass all diese Klagen mit dem Dezember-Urteil schon vom Tisch sind. Anwältin Martina van Wijngaarden sagte: "In vielen Fällen ist die Frage, ob Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vorliegt, hingegen streitig." 2021 soll es weitere Verhandlungen dazu geben.
VW: Kaufzeitpunkte zum Teil manipuliert
Etwa zwei Dutzend Mal fiel laut VW zudem auf, dass Kläger ihrerseits offenbar Kaufzeitpunkte manipulierten, um unter die Regelungen des Mustervergleichs zu fallen: Man gehe "konsequent gegen Personen vor, die beispielsweise durch das Fälschen von Zulassungsbescheinigungen versucht haben, sich Geld zu erschleichen". Das Unternehmen werde solche Betrugsabsichten bei den zuständigen Staatsanwaltschaften anzeigen, es handle sich um rückdatierte oder fingierte Kaufverträge.
Rechtsdienstleister in Abgasfällen abgemahnt
Kritisch wird mittlerweile auch das Geschäftsgebaren mancher Rechtsdienstleister und Vermittler gesehen, die an Abgas-Verfahren mitverdienen. Die Wettbewerbszentrale mahnte das Vergleichsportal Check24 wegen irreführender Werbung ab: Das Unternehmen vermittle als Makler für Kfz-Versicherungen Fahrzeughaltern das Gefühl, in jedem Fall erfolgreich wegen des Dieselskandals klagen zu können. Es gebe etwa Werbeaussagen wie "bis zu 10.000 Euro Schadenersatz", "ohne Kostenrisiko" oder "sehr gute Erfolgsaussichten". Es gehe nicht darum, berechtigte Ansprüche von Geschädigten zu verneinen – aber die Praxis zeige, dass teils textbausteinartig verfasste Klagen zu Zehntausenden bei deutschen Gerichten eingereicht wurden.