Türkei wehrt sich gegen EGMR-Urteil im Fall Demirtas

Die lange Untersuchungshaft des kurdischen Oppositionspolitikers Selahattin Demirtas in der Türkei beschäftigt den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erneut. Die Straßburger Richter akzeptierten einen Antrag der Türkei, die höchste Instanz des Gerichts – die Große Kammer – mit dem Fall zu befassen, wie der EGMR am 19.03.2019 mitteilte. Damit wird ein Urteil von November 2018 neu aufgerollt. Es dauert oft Monate oder sogar Jahre, bis die Große Kammer zu einer Entscheidung kommt.

Erdogan fühlt sich nicht an EGMR-Urteil gebunden

Der EGMR hatte 2018 geurteilt, der türkische Staat habe mit der langen Untersuchungshaft Demirtas' diverse Menschenrechte verletzt (Az.: 14305/17) und dessen schnellstmögliche Freilassung gefordert. Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte daraufhin, sich nicht an das Urteil gebunden zu fühlen. Als Mitgliedstaat des Europarats ist die Türkei jedoch verpflichtet, EGMR-Urteile umzusetzen. Demirtas, ehemaliger Chef der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, war im November 2016 unter Terrorvorwürfen verhaftet worden und sitzt auch heute im Gefängnis. Demirtas trat bei den Präsidentschaftswahlen im Juni 2018 aus dem Gefängnis heraus als Kandidat gegen Erdogan an. Der 45-Jährige erreichte mit 8,4% der Stimmen den dritten Platz.

EGMR sah Meinungsfreiheit und Recht auf freie Wahlen verletzt

In dem früheren Urteil hieß es, das eigentliche Ziel der Untersuchungshaft sei gewesen, die Freiheit der politischen Debatte einzugrenzen – während der Präsidentschaftswahlen und zum Zeitpunkt des umstrittenen Referendums für den Übergang von einem parlamentarischen in ein Präsidialsystem. Die Tatsache, dass Demirtas nicht seiner Arbeit in der Nationalversammlung nachkommen konnte, habe unter anderem einen unrechtmäßigen Eingriff in die Meinungsfreiheit dargestellt. Außerdem habe die Türkei das Recht auf freie Wahlen verletzt. Zwar habe für die Verhaftung ein begründeter Verdacht bestanden, doch sei die Länge der Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt, hieß es damals.

Redaktion beck-aktuell, 20. März 2019 (dpa).