Türkei: Regierung kann Verdächtigen im Ausland Staatsbürgerschaft aberkennen

Nach dem Putschversuch in der Türkei setzten sich Verdächtige ins Ausland ab, andere kehrten trotz Aufforderung der Regierung nicht zurück. Ihnen kann die türkische Regierung nach einem in der Nacht zum 07.01.2017 veröffentlichten Notstandsdekret nun unter bestimmten Bedingungen die Staatsbürgerschaft entziehen. Außerdem hat die Regierung per Dekret erneut Tausende Staatsbedienstete entlassen.

Aberkennung der Staatsbürgerschaft möglich

Laut Notstandsdekret kann das Kabinett Türken im Ausland, die bestimmter schwerer Straftaten beschuldigt werden und trotz Aufforderung nicht innerhalb von drei Monaten zurückkehren, die Staatsbürgerschaft aberkennen. Zu diesen Straftaten zählen unter anderem Putschversuche wie der im Juli 2016 oder die Gründung bewaffneter Organisationen.

Erneut Massenentlassungen 

Per Dekret wurden außerdem 8.400 Staatsbedienstete entlassen. Unter den Entlassenen sind 2.687 Polizisten, 1.699 Mitarbeiter des Justizministeriums und 841 Angehörige der Streitkräfte oder des Verteidigungsministeriums. Außerdem verloren 631 Akademiker und 155 Verwaltungsangestellte an Universitäten ihre Jobs. Unter den vielen weiteren von Entlassungen betroffenen Behörden sind die Religionsbehörde und das Presseamt. Die von den Ministerien und Behörden entlassenen Staatsbediensteten wurden in Anhängen zu den jüngsten Dekreten erneut mit ihrem Namen und Dienstort benannt. Diese Praxis ist hoch umstritten, da die Betroffenen damit öffentlich an den Pranger gestellt werden, ohne jemals von einem Gericht verurteilt worden zu sein.

Mehr als 41.000 Menschen nach Putschversuch in Untersuchungshaft

Die Regierung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Umsturzversuch von Mitte Juli 2016 verantwortlich. Wegen angeblicher Gülen-Verbindungen wurden seitdem Zehntausende Staatsbedienstete entlassen. Ein Bruchteil davon wurde später wieder eingestellt, weil sich die Vorwürfe nicht bewahrheiteten. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu sitzen außerdem im Zusammenhang mit dem Putschversuch mehr als 41.000 Menschen in Untersuchungshaft. 

Polizei erhält mehr Ermittlungsbefugnisse bei Straftaten im Internet

Per Dekret wurden nun außerdem die Befugnisse der Polizei für Ermittlungen bei Straftaten im Internet ausgeweitet. Damit soll die Feststellung der Identität von verdächtigen Internetnutzern erleichtert werden. Zudem wurden 83 Vereinigungen geschlossen.

Ausnahmezustand verlängert

Das türkische Parlament hatte den in Folge des Putschversuches verhängten Ausnahmezustand in der Nacht zum 05.01.2017 bis zum 19.04.2017 verlängert. Die Regierung begründete den Antrag unter anderem mit anhaltenden terroristischen Angriffen. In der Türkei wird die Gülen-Bewegung als Terrororganisation eingestuft.

Redaktion beck-aktuell, 9. Januar 2017 (dpa).

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