Türkei: Menschenrechtler kritisieren Pläne zur Neuorganisation der Anwaltskammern

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und die Internationale Juristenkommission haben eine umstrittene Gesetzesänderung in der Türkei zur Neuorganisation von Anwaltskammern scharf kritisiert. Das Vorhaben der Regierung diene einem "politischen Zweck", hieß es am 08.07.2020 in einer gemeinsamen Erklärung. Damit wolle man die Kammern politisch spalten. Zudem solle die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Justizsystems untergraben werden.

Durch Gesetzentwurf droht Zersplitterung der Anwaltskammern

Seit Wochen protestieren Anwälte gegen den von der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP und der ultranationalistischen MHP eingebrachten Entwurf. Damit soll die Gründung mehrerer Anwaltskammern in Provinzen mit mehr als 5.000 Mitgliedern wie Ankara und Istanbul ermöglicht werden. Die traditionell regierungskritischen Kammern vergeben Rechtsanwaltslizenzen und sprechen für die rund 128.000 Rechtsanwälte im Land. Der Istanbuler Verband hat mit 46.052 Registrierten die meisten Mitglieder.

Einflussnahme der Regierung auf Wahlen zum Vorsitz des Dachverbandes TTB befürchtet

Mit der Gesetzesänderung soll außerdem die Anzahl der Delegierten geändert werden, die zum Dachverband, der Vereinigung der Rechtsanwaltskammern der Türkei (TBB), entsendet werden. Human Rights Watch (HRW) kritisierte, dass so große Anwaltsorganisationen künftig unterrepräsentiert seien. Organisationen wie die in Istanbul, Izmir und Ankara, die 55% aller Anwälte im Land vertreten, könnten dann nur 7% der Delegierten in der TBB stellen. Damit könnte die Regierung die im Dezember anstehenden Wahlen zum TTB-Vorsitz beeinflussen. 78 von 80 Anwaltskammern im Land hätten eine Erklärung gegen die Gesetzesänderung unterschrieben. Der Vorschlag müsse zurückgezogen werden.

Redaktion beck-aktuell, 9. Juli 2020 (dpa).