Trump: Der entfesselte Präsident?
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Der designierte US-Präsident Donald Trump hat wohl nicht nur die Mehrheiten in beiden Kongresskammern hinter sich, er hat auch sukzessive Kritiker in den eigenen Reihen mundtot gemacht und plant, die Exekutive auszuhöhlen. Mit welchen Widerständen Trump noch zu rechnen hat, erläutert Philipp Adorf.

Wie bereits im Jahr 2017 wird Donald Trump das Weiße Haus höchstwahrscheinlich mit republikanischen Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses betreten. Vor acht Jahren fand sich der Unternehmer jedoch nur schwer im politischen Dickicht Washingtons zurecht, und eine kohärente Agenda war kaum erkennbar. Im Jahr 2025 wird Trump jedoch kein politischer Novize mehr sein. Er versteht nun, wie der Regierungsapparat in Washington funktioniert und beabsichtigt, ihn zu nutzen, um politische Rechnungen zu begleichen.

Die sogenannten "Adults in the Room" – hochrangige Regierungsmitglieder, die während seiner ersten Amtszeit mäßigend auf Trump einwirkten oder impulsive Entscheidungen einfach ignorierten – werden nicht mehr präsent sein. Trump wird sich mit loyalen Akteuren umgeben, die seine Pläne uneingeschränkt unterstützen. Daher stellt sich die Frage, welche Vetospieler im politischen System der Vereinigten Staaten dem nunmehr 47. Präsidenten entgegentreten wollen oder überhaupt können.

Das Justizministerium als verlängerter Arm Trumps

Die größte Gefahr für die amerikanische Demokratie, die von einer erneuten Trump-Regierung ausgehen könnte, liegt in der "Weaponization", d.h. der Instrumentalisierung des Justizministeriums. Trump betrachtet das Ministerium als verlängerten Arm des Weißen Hauses, der ihm einerseits rechtlichen Schutz bietet und andererseits zur Verfolgung politischer Gegner dient.

Ein besonders prägendes Beispiel hierfür sind die Erfahrungen mit den Russland-Untersuchungen des Sonderermittlers Robert Mueller, die Trumps erste Amtsjahre dominierten. Trumps damaliger Justizminister Jeff Sessions – der während des Wahlkampfs 2016 Kontakte zum russischen Botschafter Sergei Kisljak hatte – zog sich selbst aus den Ermittlungen zurück, um dem Vorwurf eines Interessenkonflikts vorzubeugen. Trump empfand diesen Schritt als Verrat und verstärkte sein Misstrauen gegenüber unabhängigen Institutionen weiter. Aus seiner Sicht war es die Aufgabe von Sessions und dem Justizministerium, den Präsidenten vor den Ermittlungen zu schützen. Ohne das Eingreifen des Justizministers, so Trump, sei die Untersuchung überhaupt erst zur berüchtigten "Hexenjagd" geworden.

Obwohl Sessions als einziger republikanischer Senator 2016 Trumps Kandidatur unterstützt hatte, entwickelte sich die von Trump wahrgenommene Illoyalität zum unüberwindbaren Graben zwischen beiden. Diese Spannungen eskalierten und mündeten schließlich in Sessions’ Entlassung nach den Zwischenwahlen 2018. Die Botschaft war unmissverständlich: Wer in Trumps Umfeld überleben wollte, hatte bedingungslose Loyalität über rechtsstaatliche Prinzipien zu stellen. Trumps zukünftiger Justizminister wird diese Lektion verinnerlicht haben.

Der Umbau der Exekutive im Interesse des Weißen Hauses

Diese Sichtweise wird Trumps Vorgehen in einer zweiten Amtszeit zweifellos maßgeblich prägen. Besonders der administrative Staat – die Bundesbehörden, die für die Umsetzung politischer Vorgaben und Gesetze verantwortlich sind – gilt in Trumps Weltbild als Kern des sogenannten "Tiefen Staats", der seiner Agenda systematisch entgegenwirkt.

Gegen Ende seiner ersten Amtszeit erließ Trump ein Exekutivdekret, das es ermöglichen sollte, bis zu 50.000 hochrangige Beamte zu entlassen und durch politisch loyale Kandidaten zu ersetzen. Joe Biden hob diese Anordnung noch vor ihrem vollständigen Inkrafttreten auf, womit die Frage nach der Rechtmäßigkeit und nach den langfristigen Folgen einer solchen präsidialen Verfügung weiterhin ungeklärt bleibt.

Im Verlauf der Kampagne äußerte Donald Trump unverhohlen die Absicht, das Justizministerium als Instrument zur strafrechtlichen Verfolgung politischer Gegner zu nutzen. Mit Blick auf Präsident Joe Biden ließ Trump verlauten, er erwäge die Einsetzung eines Sonderermittlers, um Biden und dessen Familie gezielt ins Visier zu nehmen.

Schließlich bietet ihm auch das Immunitätsurteil des Obersten Gerichtshofs vom Sommer 2024 eine weitere Grundlage für mögliche semi-autoritäre Maßnahmen. Der Supreme Court entschied, dass ein amtierender Präsident für offizielle Handlungen, die während seiner Amtszeit erfolgen, strafrechtliche Immunität genießt. Somit könnte Trump weitgehend unbesorgt sein, was strafrechtliche Konsequenzen für sein Handeln im Amt betrifft.

Trump bringt Kongressrepublikaner auf Linie

Wenn die Exekutive keinen Widerstand leistet, stellt sich die Frage, ob der Kongress Trumps Kurs wirksam begrenzen kann. Diese Rolle nahmen die Republikaner zumindest während Trumps erster Amtszeit teilweise selbst ein. Ein prägnantes Beispiel ereignete sich im Juli 2017: Bei der Abstimmung über die Abschaffung zentraler Teile von Barack Obamas Gesundheitsreform richteten sich alle Augen auf den republikanischen Senator John McCain. Oft Ziel von Trumps Attacken, hatte McCain zunächst Offenheit für eine Reform signalisiert, doch in einem Akt von historischer Tragweite votierte er gegen seine Partei. Mit erhobenem Arm und einem demonstrativ gesenkten Daumen vereitelte er das Vorhaben – das Gesetz scheiterte mit 51 zu 49 Stimmen.

Doch innerparteiliche Kritiker sind heute nahezu verschwunden. Die umfassende "Trumpisierung" der republikanischen Kongressfraktion zeigte sich schon unmittelbar nach den Ereignissen des 6. Januar 2021. Lediglich zehn Republikaner im Repräsentantenhaus hatten den Mut, ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Trump zu unterstützen. Doch dieser Schritt wurde für die meisten von ihnen zum politischen Verhängnis: Vier traten bei der nächsten Wahl nicht wieder an, vier scheiterten in den parteiinternen Vorwahlen, und nur zwei behaupteten ihren Sitz im Kongress. Auch hier war die Botschaft unmissverständlich: Wer sich gegen Trump stellte, wurde auch nach dem (vorläufigen) Ende seiner Präsidentschaft schnell zum Paria.

Eine Judikative, die kaum Widerworte gibt?

Es bleibt die zentrale Frage, ob die unabhängige Judikative weiterhin als Hüterin der amerikanischen Demokratie agieren kann. In Teilen der amerikanischen Öffentlichkeit hat sich zunehmend die Wahrnehmung verfestigt, dass die Rechtsprechung lediglich als verlängerter Arm der Republikanischen Partei fungiert. Diese Sichtweise stützt sich auch auf die offen geäußerten Ambitionen der Republikaner, die Zusammensetzung der Gerichte langfristig zu ihren Gunsten zu prägen.

Gemäß Artikel 3 der US-Verfassung werden die Bundesrichterstellen, einschließlich jener unterhalb des Supreme Court, auf Lebenszeit vergeben – ein System, das fast 900 Positionen umfasst. In den vergangenen Jahren haben die Republikaner die Judikative als ein Bollwerk betrachtet, das konservative Werte über Jahrzehnte hinweg sichern kann, selbst wenn Exekutive und Legislative zeitweise in die Hände der Demokraten gelangen.

Donald Trump hat das Potenzial, wie kein anderer Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg den Supreme Court nachhaltig zu prägen. Bereits in seiner ersten Amtszeit schuf er durch drei Ernennungen eine stabile konservative Mehrheit. Mit einer komfortablen Mehrheit im Senat, der für die Bestätigung von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern zuständig ist, könnte Trump diese Mehrheit zumindest bis zu den Zwischenwahlen 2026 weiter festigen.

Die konservative Richterikone Clarence Thomas, 76 Jahre alt und seit 1991 Mitglied des Supreme Court, könnte bald in den Ruhestand treten. Er stand in den letzten Jahren immer wieder im Zentrum zahlreicher Kontroversen, beispielsweise aufgrund der Annahme von Luxusgeschenken. Auch wenn ein Nachfolger die ideologische Balance des Gerichts nicht verändern würde, würde eine Neubesetzung diese konservative Position voraussichtlich für ein weiteres Vierteljahrhundert sichern. Zudem könnte der 74-jährige Samuel Alito – ein von George W. Bush ernannter Richter, der in jüngster Zeit ebenso wegen seiner vermeintlich fehlenden Überparteilichkeit ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist – die ersten beiden Jahre einer erneuten Trump-Präsidentschaft als idealen Zeitpunkt für seinen Rücktritt betrachten.

In verschiedenen Bereichen, etwa bei der Frage der präsidialen Immunität, hat der Supreme Court Entscheidungen getroffen, die Trump zugutekamen. Zugleich überraschte das Gericht, indem es – entgegen weit verbreiteter Befürchtungen – im Streit um die Wahl 2020 nicht intervenierte.

Fragile Balance bei den Berufungsgerichten

Eine Ebene unterhalb des Supreme Court befinden sich die Berufungsgerichte, deren Urteile in der Mehrzahl der Fälle das letzte Wort in rechtlichen Fragen darstellen. Derzeit wurden 50% der 179 Richterinnen und Richter dieser Gerichte von demokratischen Präsidenten ernannt. Hier besteht zumindest die Hoffnung, dass bestimmten autokratischen Neigungen Trumps Einhalt geboten wird – vorausgesetzt, der Supreme Court greift nicht ein. Doch auch am Obersten Gerichtshof ist man sich des schwindenden Vertrauens in die eigene Institution bewusst und dürfte bemüht sein, nicht den Eindruck zu erwecken, jedes Dekret des Präsidenten widerstandslos zu legitimieren.

Trumps zweite Amtszeit birgt erhebliche Gefahren für die amerikanische Demokratie, insbesondere aufgrund der Lehren, die er aus seinen ersten vier Jahren im Weißen Haus gezogen hat. Er wird aus einer Position gestärkter Macht heraus agieren, gestützt auf ein Netzwerk loyaler Gefolgsleute, und sich nur noch wenigen innerparteilichen Widersachern gegenübersehen. Die traditionellen Kontrollmechanismen – ob in Exekutive, Legislative oder Judikative – dürften unter seiner Führung einer beispiellosen Belastungsprobe ausgesetzt werden. Ob die amerikanische Demokratie einen weiteren "Stresstest" in Form der erneuten Trump-Präsidentschaft überstehen kann, erscheint höchst ungewiss.

Der Autor Dr. Philipp Adorf ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn.

Redaktion beck-aktuell, Gastbeitrag von Dr. Philipp Adorf, 8. November 2024.