Verhärtete Fronten und wachsender Nationalismus
Die Fronten in Katalonien verhärteten sich unterdessen zunehmend und die Atmosphäre war von wachsendem Nationalismus auf beiden Seiten geprägt. "Es ist wie auf der Titanic, wo das Orchester bis zum Untergang spielt", kommentierte der bekannte katalanische Journalist Joaquín Luna von der Zeitung "La Vanguardia" das unbeirrte Festhalten der Regionalregierung an ihrem Unabhängigkeitskurs. Der katalanische Nationalismus habe für einige der vehementesten Verfechter schon fast "religiösen" Status.
Spaniens Ministerpräsident droht mit Aussetzung der Autonomie
Zuvor hatte sich Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy erneut unnachgiebig gezeigt. In einem Interview der Zeitung "El País" wies er alle Aufrufe zum Dialog mit den Separatisten scharf zurück, solange diese nicht auf die angestrebte Unabhängigkeit verzichteten. "Spanien wird nicht geteilt werden und die nationale Einheit wird erhalten bleiben", stellte er klar. "Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden gesetzgeberischen Instrumente nutzen, um das sicherzustellen." Er halte es nicht für ausgeschlossen, Art. 155 der Verfassung anzuwenden, um Kataloniens Autonomie auszusetzen und die Region unter Verwaltung der Regierung in Madrid zu stellen.
90% für Abspaltung bei Wahlbeteiligung unter 50%
Am 01.10.2017 hatte Puigdemont ungeachtet eines Verbots durch das Verfassungsgericht und gegen den Willen der Zentralregierung in Madrid ein Referendum über die Unabhängigkeit abhalten lassen. Bei der von den Gegnern der Abspaltung mehrheitlich boykottierten Befragung gewann das "Ja"-Lager mit rund 90%, die Beteiligung lag nur jedoch bei nur 43%. Dennoch reklamierte Puigdemont anschließend, damit habe Katalonien das "Recht auf Unabhängigkeit" erlangt.
Hunderttausende demonstrieren gegen Abspaltung
In Barcelona waren am 08.10.2017 Hunderttausende Menschen gegen die Abspaltungspläne auf die Straße gegangen. Auf ihrem Marsch durch das Zentrum der Regionalhauptstadt Barcelona skandierten die Demonstranten unter anderem "Ich bin Spanier" und "Viva España".
Warnung vor einseitiger Erklärung der Unabhängigkeit
Der Chef der spanischen Linkspartei Podemos, Pablo Iglesias, warnte Puigdemont, auf keinen Fall bis zum Äußersten zu gehen. "Wir raten der katalanischen Regierung zur Vorsicht: Erklären Sie nicht einseitig die Unabhängigkeit!", sagte er der "Frankfurter Rundschau" (Ausgabe vom 09.10.2017). Wenn man das Terrain der politischen Auseinandersetzung verlasse, könne man sehr schnell auf das gefährliche Terrain der Verhaftungen, des Verbotes politischer Parteien, der Ausgangssperre, und der Versammlungsverbote geraten, sagte Iglesias.
Kritik an Abspaltungsplänen auch aus Deutschland
Die Katalonienkrise löst auch zunehmend Sorge im Rest Europas aus. Der deutsche Europaabgeordnete und Außenpolitikexperte Elmar Brok (CDU) griff die katalanische Regierung scharf an. Der "Schweriner Volkszeitung" (Ausgabe vom 09.10.2017) sagte er: "Dem reichen Barcelona geht es nur darum, die Solidarität mit anderen spanischen Regionen aufzukündigen." Brok machte auf die Sprengkraft der Unabhängigkeitsbemühungen aufmerksam. Diese könnten die Abspaltungstendenzen in anderen EU-Ländern anheizen, etwa in Korsika oder in Südtirol.
Historiker erwartet keine dramatische Entwicklung
Weniger dramatisch sieht der Historiker Walther Bernecker die Entwicklung. Puigdemont werde voraussichtlich auf eine einseitige Erklärung der Unabhängigkeit erst einmal verzichten. Stattdessen wäre denkbar, dass er am 10.10.2017 eine Unabhängigkeit als Ziel für die Zukunft ausgeben werde, auf das er weiter hinarbeiten wolle, sagte der emeritierte Professor für Neuere Geschichte der Deutschen Presse-Agentur. "Damit hätte Puigdemont sein Gesicht gewahrt."