VerfGH: Land kann Wahlalter grundsätzlich regeln
Den Ländern stehe es grundsätzlich frei, Regelungen zum Wahlalter zu treffen, solange das Homogenitätsgebot gemäß Art. 28 Abs. 1 GG beachtet werde. Dies stehe einer Absenkung des Mindestwahlalters nicht entgegen, da eine bestimmte Altersgrenze nicht vorgegeben sei. Absenkungen des Mindestwahlalters fänden ihre Begrenzung allerdings in der Funktion der Wahlen als zentrale politische Integrationsvorgänge der Demokratie. Die Kommunikationsfunktion der Wahl setze ein Mindestmaß an Reife und Einsichtsfähigkeit der Wahlberechtigten voraus und erfordere deshalb auch bei Kommunalwahlen die Regelung eines Mindestwahlalters, bei dem in typisierender Weise von einer solchen Reife und Einsichtsfähigkeit ausgegangen werden könne. Aufgrund des dem Gesetzgeber zukommenden Spielraums beschränke sich die verfassungsgerichtliche Prüfung lediglich darauf, ob die Grenzen dieses Spielraums überschritten seien. Eine Prüfung, ob er zweckmäßige oder rechtspolitisch erwünschte Lösungen gefunden habe, finde nicht statt.
Kommunalwahlrecht für 16- und 17-Jährige nicht zu beanstanden
Bei einer typisierenden Betrachtung habe der Gesetzgeber mit der Absenkung des Wahlalters den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Das Vorhandensein politischer Einsichtsfähigkeit in kommunale Belange und ein Verständnis für die Bedeutung von Wahlen ließen sich bei 16- und 17-Jährigen nicht offenkundig verneinen. Außerdem verstoße es nicht gegen den Grundsatz der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl, dass nur bei volljährigen Wahlberechtigten der Verlust des Wahlrechts aufgrund der Anordnung der Betreuung zur Besorgung aller Angelegenheiten eintrete. Der Absenkung des Wahlalters stünden schließlich keine Minderjährigenschutzvorschriften entgegen. Die Rechtsordnung kenne keinen auf allen Gebieten des privaten und des öffentlichen Rechts gleich gestalteten Minderjährigenschutz. Überdies sei nicht ersichtlich, dass die Teilnahme an kommunalen Wahlen das Wohl von 16- und 17-Jährigen gefährden könnte.
Teilnahmerecht ausländischer EU-Bürger an Bürgerbegehren und -entscheiden verfassungsgemäß
Das Teilnahmerecht ausländischer Unionsbürger an kommunalen Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden verstoße nicht gegen Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG. Diese Vorschrift bestimme, dass bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar sind. Durch die Einräumung der Möglichkeit für diese Personen, im Weg von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden auch über einzelne Sachfragen entscheiden zu können, würden Wertungswidersprüche zu ihrem Wahlrecht vermieden.
Stellung von Einwohneranträgen durch Ausländer und 14- bis 17-Jährige unbedenklich
Das Teilnahmerecht von Ausländern an Einwohneranträgen verstoße nicht gegen das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Volkssouveränität. Im Unterschied zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sei der Einwohnerantrag nicht mit der Ausübung von Staatsgewalt verbunden. Der erfolgreiche Einwohnerantrag verpflichte den Gemeinderat lediglich dazu, über die entsprechende kommunale Angelegenheit zu beraten und zu entscheiden. Vorgaben über den Inhalt der zu treffenden Entscheidung seien damit nicht verbunden. Mangels Ausübung von Staatsgewalt sei deshalb auch das Teilnahmerecht der 14- bis 17-Jährigen verfassungsrechtlich unbedenklich.