Bayern: Gutachten hält Einsatz der Landespolizei an Grenze für verfassungswidrig

Ein Rechtsgutachten hält den Einsatz der bayerischen Landespolizei bei Kontrollen an der Grenze zu Österreich laut einem Zeitungsbericht für verfassungswidrig. Wie die "Süddeutsche Zeitung" (Ausgabe vom 22.10.2018) berichtet, haben es die Grünen im Bundestag in Auftrag gegeben. Die CSU hält die Kritik für substanzlos.

Göring-Eckardt: Bayerischer Grenzschutz verstößt gegen GG

"Der bayerische Grenzschutz verstößt nach seiner Konzeption im bayerischen Recht gegen das Grundgesetz", schrieb Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt demnach am 21.10.2018 an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Die Mitarbeit der Bundespolizei an dem grundgesetzwidrig konzipierten bayerischen Grenzschutz müsse daher "eingestellt werden", heißt es in dem Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Föderalismus wird untergraben

Seit Herbst 2015 kontrolliert die Bundespolizei drei Grenzübergänge zwischen Bayern und Österreich, obwohl das dem Schengen-Abkommen widerspricht. Im August 2018 reaktivierte die bayerische Staatsregierung zudem die bayerische Grenzpolizei, die sich an Grenzkontrollen beteiligt. Dies sei verfassungswidrig, heißt es laut Zeitung im Gutachten des Regensburger Staatsrechtlers Thorsten Kingreen und der Düsseldorfer Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger, das die Grünen-Fraktion im Bundestag erstellen ließ. "Die Errichtung einer bayerischen Grenzpolizei mit den ihr parallel zur Bundespolizei zugewiesenen Aufgaben und Befugnissen untergräbt die föderale Kompetenzverteilung im Bereich des Grenzschutzes", so die Juristen. Bayern habe keine Gesetzgebungszuständigkeit für den Grenzschutz, wie er seit Juli im Freistaat praktiziert werde. Rund 500 Beamte, die vorher ausschließlich für die Schleierfahndung zuständig waren, sind seit dem 18.07.2018 in Bayern als Grenzpolizisten im Einsatz. In ihrem Alltag bleibt aber die Ermittlungsarbeit im Grenzhinterland - etwa als Zivilfahnder oder in Form großer Kontrollen - weiter der Schwerpunkt.

Bayern hält an Regelung fest

Anders als in dem Rechtsgutachten behauptet ist der Einsatz der bayerischen Grenzpolizei nach Ansicht von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) von der Verfassung gedeckt. "Die unmittelbaren Kontrollen unserer bayerischen Polizisten an der Grenze zu Österreich sind verfassungs- und europarechtlich einwandfrei", sagte er am 22.10.2018 in München. Herrmann widersprach damit ausdrücklich dem Gutachten. "Wir nutzen seit jeher eine im Bundespolizeigesetz vorgesehene Öffnungsklausel und führen die Kontrollen an der Grenze wie schon bisher an einigen bayerischen Flughäfen durch", betonte Herrmann. Ein Zuständigkeitsgerangel, wie es das Gutachten kritisiere, gebe es nicht. Es müsse immer klar sein, wer die Verantwortung trage. Das Gutachten sei auch außerhalb Bayerns fernab der polizeilichen Praxis.

Auch SPD kritisiert "Marketingaktion"

Auch die SPD steht der Grenzpolizei weiterhin skeptisch gegenüber, unabhängig vom Inhalt des Rechtsgutachtens: Die Grenzpolizei sei eine reine Marketingaktion von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), sagte der Vizevorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Horst Arnold. Die Umetikettierung von Schleierfahndern bringe keine höhere Sicherheit. "Ob es nun verfassungsmäßig ist oder nicht, ist für mich gar nicht die Hauptfrage. Hier reicht schon die Vernunft als Maßstab aus."

Herrmann verweist auf Erfolge

Innenminister Herrmann lässt das nicht gelten: Bis Ende September habe die Grenzpolizei 1539 Fahndungstreffer erzielt, in 84 Fällen habe gegen die kontrollierte Person ein Haftbefehl vorgelegen. Bei den festgestellten Delikten seien Verkehrs- und Drogenvergehen in der Mehrzahl, es seien aber auch 203 unerlaubte Einreisen und 140 Verstöße gegen das Waffengesetz angezeigt worden. Seit Jahresbeginn seien an der Grenze knapp 2500 unerlaubte Einreisen festgestellt und 231 Schleuser gefasst worden. Das Bundesinnenministerium wollte sich am Montag in Berlin noch nicht zum Inhalt des Gutachtens äußern. Das Papier sei dort erst am 21.10.2018 eingegangen und werde derzeit noch ausgewertet, sagte eine Sprecherin.

Redaktion beck-aktuell, 22. Oktober 2018 (dpa).

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