Syndikusrechtsanwälte: BGH wird über Neuregelung zur Vertretung Dritter entscheiden
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Syndikusrechtsanwältinnen und -rechtsanwälte dürfen grundsätzlich nur in Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers tätig werden und keine Dritten beraten. Doch seit dem 1.8.2022 gibt es Ausnahmen von diesem Grundsatz. Über die will jetzt überraschend der BGH entscheiden. 

Die Rechtsanwaltskammer Hamm hatte einem Rechtsanwalt, der für das Bistum Essen arbeitet, die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt verweigert, weil er zum einen hoheitliche Tätigkeiten ausübe und zum anderen nicht nur in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers tätig sei. Dagegen hatte der Jurist Klage erhoben.

Mit Urteil vom 18.11.2022 (1 AGH 2/22) hat der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen diesen Bescheid aufgehoben und die Kammer zur Zulassung verpflichtet. Die Berufung zum BGH ließ der AGH nicht zu. Die Rechtsanwaltskammer Hamm legte aber Nichtzulassungsbeschwerde beim Anwaltssenat des BGH ein, die jetzt Erfolg hat.

Der BGH hat ernstliche Zweifel daran, dass der Kläger ausschließlich in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers gem. § 46 Abs. 5 S. 1 BRAO tätig ist. Und will, wie sich aus einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Beschluss (vom 19.7.2023, Az. AnwZ (Brfg) 1/23) ergibt, dabei auch über die neue Vorschrift des § 46 Abs. 6 BRAO entscheiden. Für die Zulassungspraxis der Syndikusanwälte und -anwältinnen wird der Ausgang dieses Verfahrens wichtig sein.

Erzbistum wie eine Vereinigung oder Gewerkschaft behandeln?

Einerseits wollen die Anwaltsrichterinnen und -richter nun im Berufungsverfahren klären, wie die beratenden Tätigkeiten des Juristen einzuordnen sind, denn dieser berät auch Pfarreien und Vereine, die der Aufsicht des Bistums unterliegen. Dann hätte der Senat die Möglichkeit, seine bisherige restriktive Auslegung des § 46 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 BRAO zu überprüfen.

Die Vorschrift erweitert die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers um Rechtsdienstleistungen gegenüber seinen Mitgliedern, wenn der Arbeitgeber eine Vereinigung oder Gewerkschaft nach § 7 RDG oder nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 RDG ist. Ein Erzbistum ist das nicht, weshalb der BGH bislang - streng wortlautgetreu - den Job einer Mitarbeiterin eines Erzbistums für die Mitarbeitervertretung nicht als Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers ansieht (BGH, Beschl. v. 22.10.2018, Az. AnwZ (Brfg) 44/18).  

Neue Rechtslage: Wann dürfen Syndizi Dritte beraten?

In dem Verfahren wird der BGH allerdings nicht nur über die Frage der Rechtslage vor dem 1.8.2022 entscheiden. Der Senat formuliert ausdrücklich: „Zum anderen wird zu berücksichtigen sein, dass aufgrund der gesetzlichen Neuregelung in § 46 Abs. 6 BRAO eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ab 1. August 2022 dann in Betracht kommt, wenn der Syndikusrechtsanwalt neben der prägenden anwaltlichen Tätigkeit für seinen Arbeitgeber auch – im nicht prägenden Teil seiner Tätigkeit - dem Arbeitgeber erlaubte Rechtsdienstleistungen für Dritte erbringt“.

Die seit 1.8.2022 geltende Regelung des § 46 Abs. 6 BRAO ist eine Reaktion auf die sehr restriktive Interpretation des BGH, aus dessen Sicht jegliche Beratung Dritter eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin oder -anwalt ausschloss. Von diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber Ausnahmen geschaffen, diese allerdings recht kompliziert formuliert: Wenn der nichtanwaltliche und nicht im Sinne von § 59 c Abs. 1 sozietätsfähige Arbeitgeber Rechtsdienstleistungen für Dritte erbringen darf, dann darf auch der Syndikusrechtsanwalt diese Dritten beraten, wenn die Beratung für seine Tätigkeit nicht prägend ist.

Viele offene Fragen für den BGH

Die Norm hat zum Beispiel die Abwicklung von Versicherungsschäden oder auch die Beratung zu Rentenfragen im Blick. So gibt es Tätigkeiten bei spezialisierten Versicherungsmaklern, die für ihre Kunden auch die Abwicklung von Schäden übernehmen. War der Jurist bisher an der Bearbeitung dieser Schadenfälle beteiligt, dann war dies eine Rechtsberatung Dritter, die der Zulassung entgegenstand. Auch wenn die Syndikusanwältin im Unternehmen Mitarbeiter beriet, die diesen Rat an die Kunden weitergaben, sah der BGH das bislang als Beratung Dritter an, für die es keine Syndikuszulassung gab. Das hat sich durch § 46 Abs. 6 BRAO geändert.

Fest steht bis jetzt nur, dass der klagende Jurist höchstens 35 Prozent seiner Tätigkeit für diese Drittberatung aufbringen darf, denn die anwaltliche Syndikustätigkeit muss nach der Rechtsprechung des Anwaltssenats des BGH immer mindestens 65 Prozent seiner Tätigkeit ausmachen, damit eine  Zulassung erfolgen darf.

Fest steht auch, dass der klagende Syndikusrechtsanwalt, wenn er denn zugelassen wird, laut § 46 Abs. 6 BRAO darauf hinweisen muss, dass es sich bei seiner Beratung Dritter nicht um eine anwaltliche Tätigkeit handelt. Wie das aussehen soll, weiß allerdings noch niemand so genau. Es ist zu hoffen, dass der BGH das jetzt anhängige Berufungsverfahren nutzt, um Klarheit bei der Anwendung dieser Vorschrift zu schaffen.

Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in Singen (Hohentwiel) und war lange Jahre Geschäftsführer der Anwaltskammer Köln. Er publiziert regelmäßig zum anwaltlichen Berufsrecht. 

Redaktion beck-aktuell, 30. August 2023.