Rückstellungen für den "worst case"
Sollten die US-Richter den Fall zur Verhandlung annehmen, hätte ihr Urteil Signalwirkung. Von einem möglichen Sieg versprechen sich die Leverkusener, die Streitigkeiten um angebliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter im Grunde beenden zu können. Für den Fall, dass der Supreme Court sich mit dem Glyphosat-Verfahren nicht befassen will oder letztlich gegen Bayer entscheidet, hatte der Konzern im Sommer Rückstellungen von 4,5 Milliarden US-Dollar gebildet. Mit dem Geld würde dann ein Programm aufgesetzt, um in den kommenden 15 Jahren mit den Forderungen neuer Kläger umzugehen.
Bayer verweist auf US-Bundesrecht
In dem Antrag an den Supreme Court hatte Bayer mit der sogenannten Federal Preemption argumentiert. Der Konzern vertritt demzufolge die Ansicht, Schadenersatzansprüche wegen angeblich fehlerhafter Warnungen vor Krebsrisiken könnten nach einzelstaatlichem Recht nicht bestehen, wenn sie mit Bundesrecht kollidieren. Und die verantwortliche Bundesbehörde habe eine solche Warnung verboten. Zudem ist der Dax-Konzern der Meinung, die Zulassung von Experten als Zeugen der Klägerseite habe nicht den bundesrechtlichen Standards entsprochen. In der Supreme-Court-Entscheidung vom Montag wird nun der sogenannte Solicitor General eingeladen, die Meinung der US-Regierung zu dem Fall darzulegen. Der Solicitor General bekleidet einen der Top-Posten im US-Justizministerium. Er ist so etwas wie der oberste Anwalt der USA und vertritt die Regierung unter anderem vor dem obersten US-Gericht. Bayer teilte nach der Entscheidung mit, sich in der eigenen Position gestärkt zu sehen. Sollte alles entsprechend der üblichen Zeitpläne laufen, dürften die Richter nun bis Ende Juni 2022 entscheiden, ob sie den Fall zulassen. Trotz der für Bayer positiven Signale der Richter, die Interesse zeigen, geht die Hängepartie nun erst einmal weiter.
Viele Fälle beigelegt, Aktienkurs wieder ein wenig gestiegen
Bayer hatte sich die teuren Rechtskonflikte rund um Roundup 2018 mit dem über 60 Milliarden Dollar teuren Kauf des US-Saatgutriesen Monsanto ins Haus geholt. Nach einer ersten Gerichtsschlappe im Sommer 2018 war die Zahl der Kläger rasant gestiegen. Der Bayer-Aktienkurs hat sich seither in etwa halbiert. Auf die gestrige Nachricht, dass die Meinung der Regierung eingeholt wird, stieg die Bayer-Aktie wieder. Einige Anleger hatten befürchtet, dass die Richter den Fall direkt ablehnen. Konkret geht es um den Fall des Klägers Edwin Hardeman, der Glyphosat für seine Krebserkrankung verantwortlich macht und dem letztendlich insgesamt gut 25 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen worden waren. 2020 schnürte Bayer dann mit Anwälten der Gegenseite ein Vergleichspaket. Rund elf Milliarden Dollar hatte der Konzern dafür im Jahr 2020 zurückgelegt, für aktuelle und künftige Fälle. Viele Klagen sind mittlerweile auch beigelegt.
Bayer wartet jetzt auf Supreme Court
Bayer betont weiterhin die Sicherheit von Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung. Das Unternehmen hatte sich zuletzt nur noch vereinzelt auf Vergleichsgespräche in konkreten Fällen eingelassen. Der Konzern wollte zunächst die Entscheidung des Supreme Court abwarten. Nun wird Bayer noch restriktiver: "Da das Gericht jetzt die Stellungnahme der US-Regierung angefragt hat, werden wir ganz auf Vergleichsverhandlungen mit solchen Klägeranwälten verzichten, die eine erhebliche Anzahl an Forderungen vertreten", teilte Bayer am Montagnachmittag in einer Stellungnahme mit.