Parlamentarier haben das Recht über den Brexit zu debattieren
Die Richter entschieden einstimmig, die Parlamentspause müsse sofort beendet werden. Die Richter betonten in der mündlichen Urteilsbegründung, dass es nicht sein dürfe, das Parlament vor derart wichtigen Fragen wie der bevorstehenden Brexit-Entscheidung für fünf Wochen zu schließen und so eine Auseinandersetzung der gewählten Parlamentarier mit diesem Thema zu unterbinden. Die Richter entschieden, dass die Zwangspause einen "extremen Effekt" auf das Parlament hatte, seinem verfassungsmäßigen Auftrag nachzukommen, wie die Vorsitzende Richterin Lady Brenda Hale bei der Urteilsverkündung ausführte. Das Parlament habe aber ein Recht darauf, in der Zeit vor einem wichtigen Ereignis wie dem geplanten EU-Austritt am 31.10.2019 eine Stimme zu haben. Es handelt sich laut Hale um einen einmaligen Fall, den es unter diesen Umständen noch nie gegeben habe und "den es wahrscheinlich auch nie wieder geben wird". Das britische Parlament wird am Mittwoch um 12.30 Uhr (MESZ) wieder zusammentreten. Das teilte der Präsident des Unterhauses, John Bercow, in London mit.
Supreme Court prüfte: Vorinstanzen waren sich nicht einig
Bei der dreitägigen Anhörung in der vergangenen Woche hatte Kläger-Anwalt Lord David Pannick gefordert, dass die Abgeordneten "so bald wie möglich" wieder zusammentreten. Regierungsanwalt Lord Richard Keen warnte das Gericht hingegen vor einer solchen Entscheidung. Es handle sich um "verbotenes Terrain" für die Gerichtsbarkeit. Das oberste schottische Gericht hatte Johnson vorgeworfen, die Königin über seine wahren Absichten für die Parlamentspause getäuscht zu haben: die Abgeordneten kaltzustellen, um seine Pläne für einen möglicherweise ungeregelten Brexit durchziehen zu können. Der High Court in London hatte dagegen eine Klage gegen die Zwangspause abgelehnt, weil es sich um eine rein politische Angelegenheit handele. Beide Urteile sollten nun vom Supreme Court überprüft werden.
Gesetz gegen No-Deal-Brexit soll Johnson stoppen
Trotz der Zwangspause, die in der Nacht zum 10.09.2019 in Kraft trat, konnte Johnson nicht verhindern, dass die Abgeordneten ein Gesetz gegen den No-Deal-Brexit durch das Parlament peitschten. Es verpflichtet den Premierminister zum Antrag auf eine Brexit-Verschiebung, sollte nicht rechtzeitig vor dem Brexit-Datum am 31.10.2019 ein Abkommen mit der EU ratifiziert sein. Dem will sich Johnson jedoch nicht beugen. Der Regierungschef droht mit einem ungeregelten EU-Austritt, sollte Brüssel seinen Forderungen nach Änderungen am Brexit-Vertrag nicht nachkommen. Auch dieser Fall könnte vor Gericht landen.
Streitpunkt: Backstop
Johnson will vor allem die von der EU geforderte Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland (Backstop) aus dem Austrittsvertrag streichen. Der Backstop sieht vor, dass ganz Großbritannien nach dem Brexit in einer Zollunion mit der Staatengemeinschaft bleibt, bis eine bessere Lösung gefunden ist. Johnson will das nicht, weil sein Land dann keine eigene Handelspolitik machen könnte.
Ideenpapiere weichen verhärtete Fronten etwas auf
Zuletzt hatte es zarte Anzeichen für eine Annäherung gegeben. Eine Reihe von Ideenpapieren, die London vergangene Woche auf den Tisch gelegt hatte, reichen der EU aber noch nicht aus. Aus diplomatischen Kreisen in Brüssel hieß es, eine Einigung sei noch "weit entfernt", aber es könnte ein Fenster für einen Deal geöffnet worden sein.