Ernährungsausschuss: Veröffentlichung von Verstößen gegen Lebensmittelsicherheit umstritten

Hinsichtlich der Veröffentlichung von Verstößen gegen die Lebensmittelsicherheit, wie sie im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) geregelt ist, vertreten Verbraucherschützer auf der einen Seite und Gaststätten- und Handelsverbände auf der anderen Seite kontroverse Ansichten. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Bundestags-Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am 18.02.2019 deutlich.

Gesetzentwurf sieht Löschung von Informationen nach einem halben Jahr vor

Hintergrund der Anhörung war ein von der Bundesregierung vorgelegter Gesetzentwurf (BT-Drs. 19/4726), mit dem eine Löschfrist der Veröffentlichungen nach sechs Monaten, bei sonst gleichbleibenden Voraussetzungen, in das LFGB eingefügt werden soll. Damit will die Regierung einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entsprechen, mit dem die Veröffentlichungspraxis grundsätzlich bestätigt, zugleich aber eine Löschfrist für die Daten angemahnt worden war.

Anträge: Linke und Grüne für längere Löschfrist

Ebenfalls beraten wurden in der Anhörung ein Antrag der Fraktion Die Linke (BT-DR. 19/4830), in dem eine Löschfrist von zwei Jahren und zugleich ein Smiley-System nach dänischem Vorbild gefordert wird, sowie ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Dr. 19/7435), in dem eine Löschfrist von zwölf Monaten und eine Veröffentlichung unabhängig vom Schweregrad der Verstöße verlangt wird.

Unterschiedliche Ansichten zur Bußgeldschwelle

Aus Sicht der Organisation foodwatch und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) werden zu wenige Vorfälle öffentlich dokumentiert, was an der im LFGB festgeschriebenen Veröffentlichungsgrenze für Verstöße ab einem Bußgeld von 350 Euro liege. Nach Auffassung der Vertreter von Gaststätten- und Handelsverbänden muss hingegen die Bußgeldschwelle deutlich heraufgesetzt werden, da nicht jedes Bagatellvergehen, sondern nur gravierende Mängel veröffentlicht werden sollten.

Dehoga kritisiert unbestimmte Rechtsbegriffe und Bußgeldschwelle

Als "definitiv nicht ausreichend" bezeichnete Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), die bloße Ergänzung des Gesetzes um eine Löschfrist. Vielmehr bedürfe es konkreter harter Kriterien statt unbestimmter Rechtsbegriffe wie "hinreichend gravierender Verdacht" und Verstoß "nicht nur unerheblichen Ausmaßes". Die derzeitige Bußgeldschwelle von 350 Euro sei zudem zu niedrig, sagte Hartges.

Handelsverband kritisiert "Prangerwirkung" einer Veröffentlichung

Björn Fromm, Präsident des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg sagte, bei mehreren Bagatellfällen sei die Bußgeldschwelle und damit die Veröffentlichung schnell erreicht. Diese Doppelbestrafung "durch Prangerwirkung" sei abzulehnen. "Das Internet vergisst nicht", sagte Fromm. Wenn aber eine solche Doppelbestrafung durch Prangerwirkung politisch gewollt sei, müsse dies "verfassungskonform, verhältnismäßig und fair" sein. Benötigt werde eine deutlich höhere Bußgeldschwelle und ein bundesweit einheitlicher Bußgeldkatalog.

footwatch hält Bagatellschwelle für zu niedrig

Martin Rücker von der Organisation foodwatch kritisierte ebenfalls die aktuelle Gesetzeslage sowie die angedachte Änderung. Das Gesetz sei wirkungslos, befand er. Das vom Bundesverfassungsgericht gestärkte Grundrecht auf Information werde damit nicht durchgesetzt. Die Bagatellschwelle diene der Verhinderung der Veröffentlichung, so seine Einschätzung. Die meisten Bußgelder lägen unter 350 Euro, viele Verstöße würden gar nicht mit einem Bußgeld belegt. Dies führe dazu, dass nur ein sehr geringer Teil der Verstöße veröffentlich werde, sagte Rücker. Einig war er sich mit seinen Vorrednern in der Forderung nach einer bundeseinheitlichen Praxis.

Verbraucherzentrale: Lebensmittelwarnung bekannter machen

Jutta Jaksche von der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) bewertete dies ebenso. Sie forderte, das Internetportal "Lebensmittelwarnung" müsse qualitativ besser und bekannter gemacht werden. Jaksche bemängelte zudem, dass die Ergänzung der Löschfrist nicht zu einer in allen zuständigen Behörden einheitlichen Auslegung der Regelung führen werde. Für Verbraucher sei es aber wichtig, in jedem Fall eines solchen Verstoßes auf Grundlage eines bundesweit einheitlichen Beurteilungsmaßstabs informiert zu werden.

Smiley-System nach dänischem Vorbild diskutiert

Für ein Smiley-System nach dänischem Vorbild sprach sich Lutz Zengerling vom Bezirksamt Pankow in Berlin aus. Man habe dies in Pankow proaktiv eingeführt und damit gute Erfahrungen gemacht, sagte er. Anja Tittes, Vorsitzende des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure, verwies darauf, dass mit der aktuellen Personalausstattung im Bereich der Kontrolleure derzeit etwa 40 Prozent aller Betriebe kontrolliert werden könnten. "Wer den dänischen Smiley präferiert, muss wissen, dass dort andere Voraussetzungen herrschen", sagte sie. Während ein Kontrolleur in Deutschland etwa 450 bis 800 Betriebe in seinem Überwachungsbezirk habe, seien das bei dem dänischen Kollegen maximal 450 Betriebe. Zudem gehöre die Entnahme von Proben nicht zum Aufgabenbereich der Kontrolleure in Dänemark. Wolle man also die Umfänge oder die Aufgabengebiete steigern, müssten die entsprechenden monetären und personellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden.

Länder fordern mehr Rechtssicherheit

Die Bundesländer hätten sich von Anfang an schwer getan mit der Anwendung des 2012 neu in das LFGB eingefügten Paragrafen zur Veröffentlichung von Verstößen, da es massive Rechtsunsicherheiten gegeben habe, sagte Kristian Kühn vom Landwirtschaftsministerium in Mecklenburg-Vorpommern. Das Gesetz müsse nun dahingehend geändert werden, dass es rechtssicher wird.

Rechtsanwalt für variable Fristen

Der Einzelsachverständige Kurt Dietrich Rathke sagte, die geplante Befristung der Veröffentlichung auf einen einheitlichen Zeitraum sei "sachlich nicht überzeugend". Bei hygienischen Mängeln ohne die Gefahr gesundheitlicher Auswirkungen würde aus seiner Sicht eine Frist von drei Monaten reichen, bei Irreführungen könne die Frist sechs Monate betragen. Zumindest bei schwerwiegenden gesundheitlichen Gefahren, aber auch bei betrügerischen Täuschungen mit erheblich nachteiligen Auswirkungen sollte die Frist nach Auffassung des Rechtsanwaltes mindestens ein Jahr sein. "Zwei Jahre sind aber durchaus vertretbar", befand er.

Redaktion beck-aktuell, 19. Februar 2019.