Enge Voraussetzungen für Strafverfolgung nach Freispruch
"Ich persönlich halte es für richtig, dass wir uns die Frage nochmal vornehmen", sagte der FDP-Politiker gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung war erst vor wenigen Tagen in Kraft getreten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte es kurz vor Weihnachten ausgefertigt. Zugleich regte das Staatsoberhaupt jedoch an, "das Gesetz einer erneuten parlamentarischen Prüfung und Beratung zu unterziehen". Durch die von Union und SPD beschlossene Reform ist es jetzt möglich, Verfahren zu schwersten Straftaten wie Mord, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erneut aufzurollen. Und zwar auch dann, wenn sie zuvor mit einem Freispruch endeten. Voraussetzung ist, dass es neue Beweismittel gibt und dadurch eine Verurteilung des Freigesprochenen wahrscheinlich ist. Neue belastende Informationen können etwa durch modernere Untersuchungsmethoden und Fortschritte in der digitalen Forensik zutage treten. Vor allem die DNA-Analyse bietet hier heutzutage zusätzliche Möglichkeiten.
Kritik: Aufweichung des "ne bis in idem"-Grundsatzes
Etlichen Juristen bereitet diese Reform Bauchschmerzen. Denn sie schränkt ein Prinzip ein, das auch im Grundgesetz verankert ist. Dort heißt es: "Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden." Ein Zweck dieses Grundsatzes - von Juristen gerne in der lateinischen Form "ne bis in idem" zitiert - sei es, die Staatsanwaltschaften dazu anzuhalten, einen Fall umfassend aufzuklären und sich sehr genau zu überlegen, wann sie Anklage erheben, sagte Buschmann. Denn das sollten Staatsanwälte eben nur dann tun, "wenn sie davon überzeugt sind, dass sie genügend Beweismittel gesammelt haben, um zu einer Verurteilung zu kommen".
Deutscher Anwaltverein unterstützt das Vorhaben des Bundesjustizministers
"Mit dem Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit hat der Gesetzgeber verfassungsrechtliche Grenzen nicht korrigiert, sondern gesprengt", so Rechtsanwalt Stefan Conen, Mitglied des Ausschusses Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins. Die Regelung erlaube die Wiederaufnahme von Verfahren zuungunsten Freigesprochener in einer Beliebigkeit, welcher die Mütter und Väter des Grundgesetzes nach 1945 ein Ende bereiten wollten und bereitet haben. Der neue Wiederaufnahmegrund, den der Gesetzgeber zur Unzeit in der letzten Sitzungswoche des vorangegangenen Bundestags beschlossen habe, verstoße klar gegen Art. 103 GG. "Es ist besser, dass der Gesetzgeber sich hier selbst korrigiert, als diese Verantwortung auf das Bundesverfassungsgericht abzuwälzen", so Conen abschließend.