Straf­ver­fol­gung nach Frei­spruch: Busch­mann hat Zwei­fel an Re­form

Bun­des­jus­tiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann plä­diert dafür, die Er­leich­te­rung der Wie­der­auf­nah­me ab­ge­schlos­se­ner Straf­ver­fah­ren bei Mord und Kriegs­ver­bre­chen noch ein­mal unter die Lupe zu neh­men. "Meine Auf­fas­sung als Ab­ge­ord­ne­ter und als Rechts­po­li­ti­ker ist, dass die­ses Ge­setz ein er­heb­li­ches Pro­blem dar­stellt und man sich schon die Frage stel­len muss, ob hier nicht sogar die Ver­fas­sung ver­letzt ist", so der Mi­nis­ter.

Enge Vor­aus­set­zun­gen für Straf­ver­fol­gung nach Frei­spruch

"Ich per­sön­lich halte es für rich­tig, dass wir uns die Frage noch­mal vor­neh­men", sagte der FDP-Po­li­ti­ker ge­gen­über der Deut­schen Pres­se-Agen­tur. Das Ge­setz zur Än­de­rung der Straf­pro­zess­ord­nung war erst vor we­ni­gen Tagen in Kraft ge­tre­ten. Bun­des­prä­si­dent Frank-Wal­ter Stein­mei­er hatte es kurz vor Weih­nach­ten aus­ge­fer­tigt. Zu­gleich regte das Staats­ober­haupt je­doch an, "das Ge­setz einer er­neu­ten par­la­men­ta­ri­schen Prü­fung und Be­ra­tung zu un­ter­zie­hen". Durch die von Union und SPD be­schlos­se­ne Re­form ist es jetzt mög­lich, Ver­fah­ren zu schwers­ten Straf­ta­ten wie Mord, Völ­ker­mord und Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit er­neut auf­zu­rol­len. Und zwar auch dann, wenn sie zuvor mit einem Frei­spruch en­de­ten. Vor­aus­set­zung ist, dass es neue Be­weis­mit­tel gibt und da­durch eine Ver­ur­tei­lung des Frei­ge­spro­che­nen wahr­schein­lich ist. Neue be­las­ten­de In­for­ma­tio­nen kön­nen etwa durch mo­der­ne­re Un­ter­su­chungs­me­tho­den und Fort­schrit­te in der di­gi­ta­len Fo­ren­sik zu­ta­ge tre­ten. Vor allem die DNA-Ana­ly­se bie­tet hier heut­zu­ta­ge zu­sätz­li­che Mög­lich­kei­ten.

Kri­tik: Auf­wei­chung des "ne bis in idem"-Grund­sat­zes

Et­li­chen Ju­ris­ten be­rei­tet diese Re­form Bauch­schmer­zen. Denn sie schränkt ein Prin­zip ein, das auch im Grund­ge­setz ver­an­kert ist. Dort heißt es: "Nie­mand darf wegen der­sel­ben Tat auf Grund der all­ge­mei­nen Straf­ge­set­ze mehr­mals be­straft wer­den." Ein Zweck die­ses Grund­sat­zes - von Ju­ris­ten gerne in der la­tei­ni­schen Form "ne bis in idem" zi­tiert - sei es, die Staats­an­walt­schaf­ten dazu an­zu­hal­ten, einen Fall um­fas­send auf­zu­klä­ren und sich sehr genau zu über­le­gen, wann sie An­kla­ge er­he­ben, sagte Busch­mann. Denn das soll­ten Staats­an­wäl­te eben nur dann tun, "wenn sie davon über­zeugt sind, dass sie ge­nü­gend Be­weis­mit­tel ge­sam­melt haben, um zu einer Ver­ur­tei­lung zu kom­men".

Deut­scher An­walt­ver­ein un­ter­stützt das Vor­ha­ben des Bun­des­jus­tiz­mi­nis­ters

"Mit dem Ge­setz zur Her­stel­lung ma­te­ri­el­ler Ge­rech­tig­keit hat der Ge­setz­ge­ber ver­fas­sungs­recht­li­che Gren­zen nicht kor­ri­giert, son­dern ge­sprengt", so Rechts­an­walt Ste­fan Conen, Mit­glied des Aus­schus­ses Straf­recht des Deut­schen An­walt­ver­eins. Die Re­ge­lung er­lau­be die Wie­der­auf­nah­me von Ver­fah­ren zu­un­guns­ten Frei­ge­spro­che­ner in einer Be­lie­big­keit, wel­cher die Müt­ter und Väter des Grund­ge­set­zes nach 1945 ein Ende be­rei­ten woll­ten und be­rei­tet haben. Der neue Wie­der­auf­nah­me­grund, den der Ge­setz­ge­ber zur Un­zeit in der letz­ten Sit­zungs­wo­che des vor­an­ge­gan­ge­nen Bun­des­tags be­schlos­sen habe, ver­sto­ße klar gegen Art. 103 GG. "Es ist bes­ser, dass der Ge­setz­ge­ber sich hier selbst kor­ri­giert, als diese Ver­ant­wor­tung auf das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ab­zu­wäl­zen", so Conen ab­schlie­ßend.

Redaktion beck-aktuell, 11. Januar 2022 (ergänzt durch Material der dpa).

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