Strafkammertag in Würzburg: Richter formulieren Forderungskatalog für effektivere Strafverfahren

Fast 80 Vorsitzende Strafrichter aus allen Oberlandesgerichtsbezirken haben auf dem zweiten bundesweiten Strafkammertag, der am 26.09.2017 in Würzburg unter dem Motto "Gerechter Strafprozess braucht gute Gesetze" stattfand, Gesetzesvorschläge erarbeitet, die das Strafverfahren effektiver und praxistauglicher machen sollen. So sollen etwa Zeugenfragebögen in gleichgelagerten Masseverfahren verlesen werden dürfen, die Begründungsanforderungen an Beweisanträge erhöht, die Zahl von Nebenklägeranwälten eingeschränkt und Revisionen erschwert werden.

Forderungen sollen bei Koalitionsverhandlungen berücksichtigt werden

Wie einer gemeinsamen, vom Oberlandesgericht Bamberg veröffentlichten Pressemitteilung der Mitglieder der Arbeitsgruppe "Zukunft des Strafprozesses" vom 26.09.2017 zu entnehmen ist, wurde auf dem Strafkammertag ein Katalog mit zwölf Kernforderungen erarbeitet, der der Politik mit Blick auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen übermittelt werden soll.

Forderungskatalog

Die Forderungen lauten:

1. Nach Befangenheitsanträgen – vor und während der Hauptverhandlung – soll die Hauptverhandlung bis zum übernächsten Verhandlungstag, mindestens aber für zwei Wochen fortgesetzt werden können.

2. Über Besetzungsrügen soll im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens entschieden werden, wobei die sofortige Beschwerde keine aufschiebende Wirkung entfaltet und die vom Beschwerdegericht getroffene Entscheidung für das Revisionsverfahren bindend ist.

3. "Ins Blaue hinein" gestellte Beweisanträge sollen durch erhöhte gesetzliche Anforderungen an deren Begründung unterbunden werden.

4. Die Verlesbarkeit von Urkunden soll erweitert werden. Danach sollen auch Zeugenfragebögen/Strafanzeigen in gleichgelagerten Masseverfahren sowie Berichte der Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe verlesen werden dürfen.

5. Revisionen sollen nur noch dann zulässig sein, wenn sie durch einen Verteidiger begründet werden, der die Sachrüge in gleicher Weise wie die Verfahrensrüge auszuführen hat. Die Revision gegen Entscheidungen der kleinen Strafkammer bedarf zusätzlich der Zulassung. Die Sprungrevision soll abgeschafft werden.

6. Das Verschlechterungsverbot bei Widerruf eines Geständnisses nach erfolgter Verständigung soll entfallen.

7. Sofern mehrere Nebenkläger gleichgelagerte Interessen im Strafverfahren verfolgen, soll ihnen derselbe Rechtsbeistand bestellt werden. Dies soll in den Fällen des § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO in der Regel anzunehmen sein. Die Rechte aus §§ 68b und 406f StPO sollen unberührt bleiben.

8. Die Tatsachenfeststellungen und der Schuldspruch im Strafverfahren sollen eine Bindungswirkung in nachfolgenden Zivilverfahren entfalten.

9. Gefordert wird weiter ein Anspruch auf und eine Pflicht zur aufgabenorientierten Fortbildung (zeitnah, ortsnah, kompakt, nacharbeitsfrei) unter Berücksichtigung bei der Personalausstattung und eine tätigkeitsbegleitende Unterstützung durch Maßnahmen wie Coaching/Supervision gezielt für Strafrichter.

10. Ferner soll die Pressearbeit professionalisiert werden. Dazu wird eine gesetzliche Regelung gefordert, die gewährleistet, dass die Tätigkeit durch erfahrene, entsprechend geschulte und ausreichend freigestellte Mitarbeiter ausgeübt werden kann.

11. Die Verantwortlichen in Bund und Ländern werden aufgefordert, für die elektronische Akte im Strafprozess einheitliche Standards zu schaffen und einen reibungslosen Datenaustausch zwischen sämtlichen beteiligten Stellen zu gewährleisten. Zur Wahrung der Rechte aller Verfahrensbeteiligten auf informationelle Selbstbestimmung soll in Abänderung der neu gefassten Regelungen Einsicht in die eAkte nur durch Rechtsanwälte oder im Gericht erfolgen.  

12. Die Möglichkeiten der eAkte zur Konzentration der Hauptverhandlung sollen umfassend geprüft werden, zum Beispiel für das Selbstleseverfahren und für die (Selbst-) Augenscheineinnahme auch durch die Öffentlichkeit.

Redaktion beck-aktuell, 27. September 2017.