Silvesterkrawalle: Regierung musste Namen deutscher Tatverdächtiger nicht nennen

Die Weigerung der niedersächsischen Landesregierung, die Vornamen deutscher Tatverdächtiger aus der Silvesternacht 2022/23 preiszugeben, war rechtens. Der Staatsgerichtshof des Landes hat den Antrag eines AfD-Abgeordneten, der sich in seinem verfassungsrechtlichen Frage- und Informationsrecht verletzt gesehen hatte, zurückgewiesen.

In der fraglichen Silvesternacht war es an mehreren niedersächsischen Orten zu Übergriffen auf Einsatzkräfte gekommen. Die Landesregierung teilte im Landtag hierzu mit, dass 35 Tatverdächtige ermittelt worden seien, darunter 19 Personen mit ausschließlich deutscher Staatsangehörigkeit.

Der AfD-Landtagsabgeordnete Stephan Bothe begehrte Ende Februar 2023 mit einer Kleinen Anfrage von der Landesregierung Auskunft über die Vornamen dieser 19 Tatverdächtigen. Die Regierung verwies auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, die Unschuldsvermutung und behielt die Namen für sich. Bothe sah sein verfassungsrechtliches Frage- und Informationsrecht verletzt und begehrte im Organstreitverfahren die Feststellung dieser Rechtsverletzung.

Ohne Erfolg: Laut Staatsgerichtshof musste die Regierung die Vornamen der ermittelten Tatverdächtigen nicht nennen (Urteil vom 02.05.2024 – StGH 3/23). Angesichts der aus unterschiedlichen Quellen bereits in der Öffentlichkeit bekannten Informationen zu den Geschehnissen in der Silvesternacht habe bei Bekanntgabe der Namen im Parlament die konkrete Gefahr einer Identifizierung einzelner Personen bestanden. Darin liege ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das daraus folgende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen.

Wunsch nach "Milieu"-Zuordnung kein Argument

Die Identifizierung könne massive Auswirkungen für die Betroffenen haben. Ein solch erheblicher Grundrechtseingriff sei nur unter besonderen Umständen gerechtfertigt. Das parlamentarische Informationsinteresse müsse im Einzelfall von besonders hohem Gewicht sein. Fehle es daran, komme auch eine vertrauliche Unterrichtung nicht in Betracht – zumal Beschuldigten in einem Strafverfahren mit Blick auf die Unschuldsvermutung vor Erhebung einer Anklage besonderer Schutz gebühre, so der Staatsgerichtshof.

Das von Bothe geltend gemachte abstrakte politische Ziel der Zuordnung möglicher Straftäter zu einem "Milieu" als Grundlage für einen allgemeinen politischen Diskurs sei kein derartiges, besonders gewichtiges, die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen überwiegendes Informationsinteresse.

Redaktion beck-aktuell, bw, 2. Mai 2024.