Niedersachsen beantwortet Fragen zur Entnahme von Wölfen unzureichend

Die niedersächsische Landesregierung hat eine Kleine Anfrage mehrerer Abgeordneter des Landtags, in der es um Ausnahmegenehmigungen zur Entnahme von Wölfen ging, nur unzureichend beantwortet. Dies hat der Staatsgerichtshof Niedersachsen in einem Organstreitverfahren entschieden. Die Auskunft habe nur insoweit verweigert werden dürfen, als diese die Identifizierung von in die Entnahme von Wölfen eingebundenen Personen ermöglicht hätte.

Informationen zur Entnahme von Wölfen begehrt

Die Antragsteller, Mitglieder des niedersächsischen Landtags, hatten am 08.02.2021 eine Kleine Anfrage (LT-Drs. 18/8509) an die Antragsgegnerin gestellt, mit der sie folgende Auskunft begehrten: "Wann und von welcher Behörde wurden über die bekannten vier Fälle hinaus bislang Ausnahmegenehmigungen zur Entnahme von Wölfen erteilt (bitte jeweils Kennung des Wolfs, Territorium und gegebenenfalls Rudel angeben)?" (Frage 1) und: "Wie werden die Genehmigungen jeweils begründet (sofern Nutztierrisse zur Begründung herangezogen werden, bitte jeweils Kennnummer des Falls, Datum, Ort, Tierart, Art des Grundschutzes, gegebenenfalls Zaunart und -höhe, Schwachstellen des Herdenschutzes, nachgewiesenen Verursacher sowie Schadenshöhe aufführen)?" (Frage 2).

Kleine Anfrage unter Verweis auf Geheimhaltungsinteresse nur zum Teil beantwortet

Die Antragsgegnerin führte zu Frage 1 aus, dass über die bereits bekannten Ausnahmegenehmigungen hinaus am 11.09.2020 eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung erteilt worden sei, die sie ihrer Antwort beifügte. Im Übrigen verweigerte sie die Herausgabe von Informationen und stützte dies auf Art. 24 Abs. 3 Satz 1 NV. Zur Begründung führte sie aus, dass bei der Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Abgeordneten und dem grundrechtlich geschützten Geheimhaltungsinteresse Dritter Letzteres überwiege. Es sei zu befürchten, dass den in den Vollzug der Ausnahmegenehmigungen eingebundenen Personen nach Bekanntwerden der begehrten Antworten umfangreiche Repressalien im persönlichen Bereich drohten. Die Antragsteller begehren im Wege eines Organstreitverfahrens die Feststellung, dass die Landesregierung ihre Auskunftspflicht nach Art. 24 Abs. 1 NV in Bezug auf nicht vollzogene Abschussgenehmigungen von Wölfen verletzt habe. Mindestens hätte die Antragsgegnerin eine Teilantwort geben müssen, etwa durch Nennung der Zahl der erteilten Abschussgenehmigungen.

Landesregierung zu Prüfung der Möglichkeit von Teilantworten verpflichtet

Der Niedersächsische Staatsgerichtshof ist der Ansicht der Antragsteller teilweise gefolgt. Die Anforderungen für eine auf Art. 24 Abs. 3 Satz 1 NV gestützte Verweigerung der Antwort seien nur teilweise erfüllt. Die Fragen 1 und 2 in der Kleinen Anfrage seien bei der gebotenen objektiven Betrachtung auch auf eine nur teilweise Beantwortung gerichtet. Bestehen Anfragen nach Art. 24 Abs. 1 NV aus mehreren Fragen beziehungsweise werden verschiedene Einzelinformationen begehrt, habe die Landesregierung die Möglichkeit von Teilantworten zu prüfen. Eine Pflicht zu Teilantworten bestehe immer dann, wenn dies - wie vorliegend - dem in der Anfrage zum Ausdruck kommenden Informationsinteresse der Abgeordneten bei objektiver Betrachtung entspricht und der geltend gemachte Verweigerungsgrund Teilantworten nicht bereits tatbestandlich entgegensteht.

Anforderungen an Teilantworten

Ausgehend hiervon habe die Antragsgegnerin die schutzwürdigen Interessen Dritter zwar zutreffend ermittelt. Die Prognose der zu befürchtenden Grundrechtsverletzungen trage im Hinblick auf die begehrten Informationen allerdings nur soweit, als die verweigerten Auskünfte die Identifizierung von in die Entnahme von Wölfen eingebundenen Personen (Tierhalter, Jäger, Beschäftigte der Vollzugsbehörden) ermöglichen. Im Rahmen der nach Art. 24 Abs. 3 Satz 1 NV anzustellenden Prognose müsse die Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen Dritter nicht unmittelbar als Folge der Antwort eintreten. Die prognostische Entscheidung der Landesregierung könne ein durch die Antwort ausgelöstes nachfolgendes Gefährdungsverhalten Dritter einbeziehen. Die Prognose könne dabei nur auf Quellen und Vorfälle gestützt werden, die zum Zeitpunkt der Beantwortung der Anfrage bekannt waren. Später bekanntgewordene Tatsachen haben laut Gerichtshof unabhängig davon, ob sie die Prognose stützen oder widerlegen, bei der verfassungsrechtlichen Prüfung außer Betracht zu bleiben.

Angabe von Zahl und Datum erteilter Genehmigungen ohne Gefährdung möglich

Dies zugrunde gelegt trägt die Prognose der Antragsgegnerin, dass durch die durch Frage 1 begehrte Nennung der eine Ausnahmegenehmigung erteilenden Behörde, der Kennung eines Wolfes, des Territoriums sowie des Rudels über eine Internetrecherche sowohl zuständige Behördenmitarbeiter als auch Kreisjägermeister und Jagdausübungsberechtigte ausfindig gemacht werden könnten. Anderes gilt laut Staatsgerichtshof aber für die Angabe der Zahl und des Datums erteilter Genehmigungen. Ebenso führe die in Frage 2 begehrte Angabe der gerissenen Nutztierart regelmäßig nicht zu einer Identifizierung der Herdenhalter. Gleiches gelte für die Art des Grundschutzes, für Angaben zu Zaunart und -höhe und für Schwachstellen des Herdenschutzes sowie die Schadenshöhe. Demgegenüber würde die Information über die Kennnummer des Falls, das Datum und den Ort zu einer Identifizierungsmöglichkeit der betroffenen Tierhalter führen.

Grenzen der Preisgabepflicht

Soweit die zuvor genannten Informationen eine Identifizierung von Tierhaltern, Jägern und Behördenmitarbeitern ermöglichen würden, hat die Antragsgegnerin zu Recht deren Gefährdung angenommen. Diese hat laut Gerichtshof überzeugend dargelegt, dass die von ihr vorgelegten Postings in sozialen Netzwerken in direktem Zusammenhang mit bekanntgewordenen Ausnahmegenehmigungen standen. Sie habe das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit deshalb als ernsthaft gefährdet ansehen dürfen. Die Antragsgegnerin habe die berührten Interessen richtig gewichtet und eingeschätzt. Ihre Entscheidung, den grundrechtlich geschützten Interessen der in den Vollzug einer Ausnahmegenehmigung eingebundenen, identifizierbaren Personen den Vorrang einzuräumen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Redaktion beck-aktuell, 8. Februar 2022.