StGH Hessen: Vorgaben für Jagd- und Schonzeiten in Hessen teilweise unverhältnismäßig

Die in Hessen zu den Jagd- und Schonzeiten getroffenen Bestimmungen für Waschbären, Marderhunde, Steinmarder, Füchse und Blässhühner sind im Hinblick auf das durch die Hessische Verfassung garantierte Eigentumsgrundrecht teilweise unverhältnismäßig. Dies hat der Staatsgerichtshof des Landes Hessen mit Urteil vom 12.02.2020 auf einen Normenkontrollantrag der FDP-Landtagsfraktion entschieden. Nach den Feststellungen des Gerichts sind die zur Überprüfung gestellten Jagdzeitbestimmungen der Jagdverordnung allerdings zum überwiegenden Teil mit der Hessischen Verfassung vereinbar (Az.: P.ST. 2610).

Streit um Neuregelung aus dem Jahr 2016

Im Rahmen der Abweichungsgesetzgebung ist es den Ländern erlaubt, vom Bundesrecht abweichende Regelungen zur Bejagung von Wild zu treffen. Der hessische Verordnungsgeber hat hiervon bereits in der Vergangenheit Gebrauch gemacht. Mit den jetzt angegriffenen §§ 2, 3 HJagdV ersetzte er die zuvor geltenden landesrechtlichen Jagdzeitenbestimmungen mit Wirkung zum 01.04.2016 und verkürzte diese zum Teil deutlich.

Eingriff in eigentumsrechtlich abgesichertes Jagdrecht gerügt

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass hierin eine Einschränkung des eigentumsrechtlich abgesicherten Jagdrechts und Jagdausübungsrechts zu sehen sei, die sich mangels einer sachlichen, insbesondere wildbiologischen Rechtfertigung als unverhältnismäßig darstelle. Das Eigentumsgrundrecht werde sowohl durch die Verkürzung beziehungsweise Abschaffung der Jagdzeiten für die jeweils einzeln betroffenen Tierarten als auch aufgrund der kumulativen Wirkung verletzt, die von der Gesamtheit der angegriffenen Bestimmungen ausgehe. Die Antragstellerin rügt außerdem eine Verletzung des Parlamentsvorbehalts sowie einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip insofern, als der Verordnungsgeber die in §§ 2, 3 HJagdV enthaltenen Regelungen nicht bereits im Normsetzungsverfahren begründet habe.

Grenzen der Delegation normativer Entscheidungen auf Exekutive

Der Erlass der streitgegenständlichen Jagdzeitbestimmungen im Weg des Verordnungsrechts verstößt nach Auffassung des Staatsgerichtshofs nicht gegen den Grundsatz des Parlamentsvorbehalts. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Demokratieprinzip abgeleitete Vorbehalt des Gesetzes verpflichte den Gesetzgeber, alle grundlegenden normativen Entscheidungen selbst zu treffen. Wesentliche Entscheidungen dürften nicht auf den Verordnungsgeber delegiert werden. Damit seien einer Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf die Exekutive gerade in grundrechtsrelevanten Bereichen Grenzen gesetzt. Gefordert sei damit aber kein parlamentarischer Totalvorbehalt, sondern nur, dass der Kernbereich der Gesetzgebung beim Parlament verbleiben muss.

StGH: Jagdzeitbestimmungen nicht zu beanstanden

Die Jagdzeitbestimmungen in der Hessischen Jagdverordnung würden dieser Vorgabe gerecht, so der StGH. Die maßgeblichen Leitlinien des Jagd- und Jagdausübungsrechts seien bereits dem Hessischen Jagdgesetz zu entnehmen. Ergänzend seien die fortgeltenden Vorschriften des Bundesjagdgesetzes auch durch den Landesverordnungsgeber zu beachten. Dass dem Verordnungsgeber innerhalb des dadurch vorgegebenen Rahmens bei der Bestimmung der Jagdzeiten für die einzelnen Tierarten ein eigener Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zukomme, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Kein ausdrücklicher Begründungs- oder Darlegungszwang

Den Verordnungsgeber habe auch nicht die Pflicht getroffen, die verfahrensgegenständlichen Vorschriften formal zu begründen. Die Hessische Verfassung kenne keinen ausdrücklichen Begründungs- oder Darlegungszwang für gesetzgeberische Entscheidungen. Auch allgemein lasse sich aus dem Rechtsstaatsprinzip keine grundsätzliche Pflicht zur Begründung gesetzgeberischer Entscheidungen ableiten. Im Grundsatz schulde der Normgeber nur ein verfassungsgemäßes Gesetz beziehungsweise eine gesetz- und verfassungsgemäße Verordnung. Die Kontrolle der materiellen Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Regelungen sei damit zunächst reine Ergebniskontrolle.

Begründung nur in Ausnahmefällen erforderlich

Die Einbeziehung des zu diesem Ergebnis führenden gesetzgeberischen Erkenntnis- und Abwägungsprozesses in die verfassungsgerichtliche Überprüfung komme nur im Ausnahmefall in Betracht, wenn anders eine verfassungsrechtliche Bewertung der zu überprüfenden Norm mangels entsprechend konkreter materieller Maßstäbe nicht möglich ist und die so eingeschränkte Kontrolle des gesetzgeberischen Tätigwerdens der Bedeutung der betroffenen Grundrechte oder des konkreten Sachverhalts nicht gerecht zu werden vermag. Ein solcher Ausnahmefall ist nach Ansicht des Gerichtshofs in Bezug auf die angegriffenen Jagdzeitbestimmungen jedoch nicht gegeben. Das Eigentumsgrundrecht in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die durch das Bundesjagdgesetz und das Hessische Jagdgesetz vorgegebenen Kriterien böten ausreichende materielle Maßstäbe, an denen die Verfassungsmäßigkeit der durch den Verordnungsgeber bestimmten Jagdzeiten gemessen werden könne.

Ausgleich zwischen privatnützigen Interesse des Einzelnen und Gemeinwohlinteresse

Sowohl das Jagd- als auch das Jagdausübungsrecht würden dem Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 45 HV unterfallen, so der StGH weiter. Die durch den hessischen Verordnungsgeber in § 2 und § 3 HJagdV getroffenen Regelungen zu den Jagd- und Schonzeiten würden damit als Inhalts- und Grenzbestimmungen des Eigentums der Prüfung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unterliegen. Die jeweilige Bestimmung sei daran zu messen, ob sie einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen dem privatnützigen Interesse des Einzelnen und dem Gemeinwohlinteresse der Gemeinschaft darstellt. Hierbei stehe dem Normgeber ein Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu.

Anforderungen bei Großteil der Tierarten erfüllt

Der größere Teil der von der Antragstellerin angegriffenen Jagdzeitbestimmungen genüge diesen Anforderungen. Die Regelungen zur Bejagbarkeit von Minks, Nutrias, Damwildschmalspießern und -schmaltieren, Baummardern, Iltissen, Hermelinen, Mauswieseln, Elstern, Rabenkrähen, Rebhühnern, (adulten und juvenilen) Ringeltauben, Türkentauben sowie Lach-, Sturm-, Silber-, Mantel- und Heringsmöwen seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Verordnungsgeber halte sich bei diesen Tierarten im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums. Ausreichende Gründe für die jeweilige Einschränkung der Jagd würden sich insbesondere im Ziel des Elterntierschutzes sowie im beabsichtigten Bestandsschutz einzelner Tierarten finden, soweit der Verordnungsgeber diesen für erforderlich halten durfte.

Einzelne Bestimmungen unverhältnismäßig

Die für Marderhunde und Waschbären (§ 2 HJagdV) sowie für Steinmarder, Füchse und Blässhühner (§ 3 Abs. 1 HJagdV) vorgenommenen Einschränkungen der Jagdzeiten würden sich demgegenüber teilweise als unverhältnismäßig darstellen. So sei der für die Begründung der Schonzeiten für Waschbären, Marderhunde und Füchse herangezogene legitime Zweck des Elterntierschutzes nicht geeignet, zugleich auch die Jagd auf die juvenilen, also noch nicht geschlechtsreifen, Tiere dieser Arten zu begründen. Das für Steinmarder angeordnete Jagdverbot sei in Bezug auf den Monat Februar nicht gerechtfertigt, weil es insoweit zur Erreichung eines legitimen Zwecks nicht erforderlich sei. Der Elterntierschutz komme hier nicht zum Tragen, weil nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand von einem Beginn der Setzzeit des Steinmarders nicht vor dem Monat März ausgegangen werden könne. Schließlich habe das für Blässhühner bis zum 31.12.2019 ausgesprochene Jagdmoratorium unter Berücksichtigung der zu den Beständen dieser Tierart vorhandenen Datenlage keine Rechtfertigung in dem von der Landesregierung insofern angeführten Erfordernis des Bestandsschutzes gefunden. Eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts unter dem Gesichtspunkt des kumulativen beziehungsweise additiven Grundrechtseingriffs vermochte der Staatsgerichtshof nicht zu erkennen. Die angegriffenen Jagdzeitbestimmungen würden in ihrer Gesamtheit keine kumulative Eingriffsintensität erreichen, die im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht der Jagdausübungsberechtigten das Maß des rechtsstaatlich Hinnehmbaren überschreite.

Redaktion beck-aktuell, 13. Februar 2020.