Steuerliche Weichenstellungen bei der Kanzleigründung
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Eine erfolgreiche Kanzleigründung birgt viele Herausforderungen. Neben hohen Markteintrittsbarrieren stellen sich operative, berufsrechtliche und steuerliche Fragen. Maximilian Krämer und Cedrik Lin beschreiben, was für den unternehmerischen Erfolg wichtig ist.

Wer eine Kanzlei gründen möchte, muss sich neben den organisatorischen und berufsrechtlichen Fragen auch mit steuerlichen Weichenstellungen für das Unternehmen befassen. Für Gründerinnen und Gründer lohnt es sich, frühzeitig steuerlichen Expertenrat einzuholen. Es gilt, eine strategische steuerliche Ausrichtung der Kanzlei auszuloten und Klarheit über die konkreten steuerlichen Rechte und Pflichten zu schaffen. Das Finanzamt erwartet bei der Gründung einer Kanzlei einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung. Nur mit entsprechender Vorarbeit kann dieser richtig und zutreffend dem Finanzamt übermittelt werden.

Deshalb müssen Gründerinnen und Gründer sich zunächst für eine Rechtsform entscheiden. Daran führt kein Weg vorbei, denn sie bildet das steuerliche Gerüst der Kanzlei. Dafür benötigen die Inhaberinnen und Inhaber grundlegendes steuerrechtliches Know-how – von der gewerblichen Abfärbetheorie über die Anforderungen einer ordnungsgemäßen Rechnung bis hin zu der richtigen Anwendung des Zuflussprinzips.

Im Stellwerk: Die Rechtsformwahl

Das anwaltliche Berufsrecht lässt vielerlei Organisationsformen der Berufsausübung zu. Freilich handelt es sich bei der Rechtsformwahl um eine weitreichende Entscheidung, bei der neben steuerlichen Aspekten auch Haftungsgesichtspunkte und organisatorische Rahmenbedingungen zu beachten sind.

Aus steuerlicher Sicht kommt der Wahl der Rechtsform insoweit erhebliche Bedeutung zu, als sie die grundlegende steuerliche Ausrichtung einer Kanzlei maßgeblich beeinflusst. Doch: Die richtige Rechtsform als steuerrechtliche Wunderwaffe existiert nicht. Vielmehr kommt es den jeweiligen Einzelfall an.

Die infrage kommenden Rechtsformen untergliedern sich aus steuerrechtlicher Sicht in transparent besteuerte Personengesellschaften – wozu vereinfacht neben der Einzelkanzlei und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auch Partnerschaftsgesellschaften nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) zählen – sowie in intransparent und eigenständig besteuerte Rechtsanwaltsgesellschaften, wovon insbesondere die Anwalts-GmbH und die Aktiengesellschaft umfasst sind.

Rechtsformunabhängig ist dem Berufswesen der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gemein, dass mit der anwaltlichen Tätigkeit Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt werden, die der Einkommensteuer zu unterwerfen sind. Hinzu tritt die Umsatzsteuerpflichtigkeit anwaltlicher Dienstleistungen.

Bahnsteigwechsel: Gewerbesteuer, ja oder nein?

Die anwaltliche Tätigkeit in einer Einzelkanzlei oder Personengesellschaft führt unmittelbar zu einkommensteuerpflichtigen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit für Inhaberinnen und Inhaber. Sie werden allerdings einheitlich auf Ebene der Kanzlei erfasst und festgestellt. Als Personengesellschaft organisierte Kanzleien stellen per se – wie auch die Einzelkanzlei – keinen Gewerbebetrieb dar. Daher fällt auch keine Gewerbesteuer an.

Aber Achtung: Schon marginale Anteile gewerblich geprägter Tätigkeiten können zur Gewerbesteuerpflicht der gesamten Kanzleileistung führen (Abfärbetheorie). Bei der Ausrichtung und der täglichen Kanzleitätigkeit muss berücksichtigt werden, dass der BFH die Grenze bei maximal 3% der originär gewerblichen Nettoumsatzerlöse und kumulativ absolut bei 24.500 Euro pro Veranlagungsjahr zieht, damit keine gewerbliche Umqualifizierung vorliegt.

Demgegenüber unterliegt eine Rechtsanwaltsgesellschaft schon per se einer Besteuerung als Kapitalgesellschaft mit Körperschaft- und Gewerbesteuer. Auch wenn die anwaltliche Tätigkeit freiberuflich erfolgt, sind die Anwalts-GmbH und die Anwalts-AG kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig. Es greift hier eine strikte steuerliche Trennung zwischen Kanzlei- und Inhaberebene, wobei letztere als GmbH-Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielen, die entsprechend besteuert werden.

Auf den Gleisen: Steuerrechtliche Pflichten im Daily Business

Als Freiberufler sind Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte weder zu einer handelsrechtlichen Buchführung noch zu einer originär steuerlichen Buchführung verpflichtet. Eine systematische anwaltliche Buchführung ist trotzdem wärmstens zu empfehlen, denn sie ermöglicht es, die wirtschaftliche Lage der Kanzlei im Blick zu halten, darzustellen und zu korrigieren.

Auch aus dem Umsatzsteuergesetz können sich Pflichten zur Aufzeichnung bestimmter Vorgänge und spezifische Anforderungen an die Rechnungen ergeben. Außerdem können weiterreichende Aufzeichnungspflichten beim Abzug bestimmter Betriebsausgaben bestehen, wie etwa bei Bewirtungsaufwendungen und Fahrtenbüchern.

Geschäftliches und Privates sollten in Bezug auf die eigene Kanzlei getrennt werden. Diese beiden Bereiche zu vermischen, erschwert die steuerlichen Aufzeichnungspflichten und führt auch bei Finanzamtsprüfungen zu Problemen. Gründerinnen und Gründer sollten unbedingt ein eigenes Kanzlei-Konto und eigene Kreditkarten einrichten.

Im Bordbistro: Umsatzsteuerlicher Leckerbissen

Für Personengesellschaften und Einzelkanzleien besteht die Möglichkeit, die Umsatzsteuer nach den konkret vereinnahmten Entgelten zu entrichten (sog. Ist-Versteuerung). Der Regelsteuersatz für Kanzleien ist 19%, sodass auf alle Einnahmen 19% Umsatzsteuer an das Finanzamt zu zahlen sind. Die Umsatzsteuer muss allerdings erst gezahlt werden, wenn der Mandant oder die Mandantin die Rechnung auch tatsächlich beglichen hat und nicht schon im Moment der Rechnungsstellung. Dieses Privileg können sich Gründerinnen und Gründer zunutze machen, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden – etwa, wenn Mandanten zu spät zahlen.

Kapitalgesellschaften hingegen können einen solchen Antrag nur dann stellen, wenn ihr Jahresumsatz unter 600.000 Euro liegt. Die zu zahlende Umsatzsteuer muss mit der Umsatzsteuervoranmeldung gezahlt werden und der Betrag auch auf dem Kanzleikonto verfügbar sein. Es ist vor allem in der ersten Zeit nach der Gründung sinnvoll, nur mit den von der Mandantschaft gezahlten Nettobeträgen ohne Umsatzsteuer zu kalkulieren, um nicht in Geldnöte zu kommen.

Die Fahrscheine bitte: Betriebsprüfung in der Anwaltskanzlei

Allein der Umstand, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Geheimnisse ihrer Mandantschaft wahren müssen, schließt die Möglichkeit einer finanzbehördlichen Betriebs- bzw. Außenprüfung nicht aus. Solche Prüfungen können Kanzleien ebenso treffen wie andere Unternehmen.

Damit das Tagesgeschäft nicht unter einer Betriebsprüfung leidet, sollten Gründerinnen und Gründer vorsorgen: Es empfiehlt sich, präventiv einen Leitfaden zu Betriebsprüfungen und auch Durchsuchungen in Kanzleien zu erstellen, um für den Fall der Fälle gewappnet zu sein und ein taugliches Nachschlagewerk unkompliziert griffbereit zur Hand zu haben.

Volle Fahrt voraus: So gelingt die steuerliche Weichenstellung

Wer erfolgreich eine Kanzlei gründen möchte, wird am Steuerrecht nicht vorbeikommen. Geradezu allgegenwärtig tangieren steuerliche Aspekte die Tätigkeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten.

Zu Beginn der Selbständigkeit wird eine transparente und vorhersehbare Liquiditätsplanung eine der maßgeblichen Herausforderungen im Rahmen der Kanzleigründung sein. Welche Steuern müssen zu welchem Zeitpunkt angemeldet und gezahlt werden? Juristinnen und Juristen, die eine Kanzlei gründen wollen, sollten sich frühzeitig steuerliche Expertise einholen und die steuerlichen Weichen richtig stellen. Von einem DIY-Experiment ist dringend abzuraten. Tendenziell dürften die Einzelkanzlei und Personengesellschaften aufgrund ihrer niedrigeren Verwaltungskosten und der unkomplizierten Möglichkeit zur Umsatzversteuerung nach vereinnahmten Entgelten für viele Gründerinnen und Gründer beim Markteintritt attraktiver erscheinen. Dabei gilt es auch im Hinterkopf zu behalten, dass eine Einzelkanzlei oder Personengesellschaft wesentlich einfacher in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt werden kann als umgekehrt.

 

Maximilian Krämer ist Fachanwalt für Steuerrecht, zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht und Partner bei DNK Rechtsanwälte mit Sitz in München und Nürnberg. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt doziert der Autor im Weiterbildungsstudiengang für Steuerstrafrecht an der Fernuniversität in Hagen. Ehrenamtlich engagiert er sich unter anderem als Vorsitzender des FORUM Junge Anwaltschaft im DAV.

Cedrik Lin ist Rechtsreferendar am OLG München und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei DNK Rechtsanwälte.

Maximilian Krämer und Cedrik Lin, 22. Oktober 2024.