Mordfall Lübcke: Stephan Ernst gesteht Tat vor Gericht

Im Prozess um den Mordfall Lübcke hat der Hauptangeklagte Stephan Ernst erstmals vor Gericht eingeräumt, den tödlichen Schuss abgegeben zu haben. Bereits in einem ersten vor Polizisten abgelegten Geständnis hatte er die Tat eingeräumt. Später hatte er die Geschehnisse vor einem Ermittlungsrichter als Unfall dargestellt und bestritten, die Waffe zum Zeitpunkt des Schusses gehalten zu haben.

Generalbundesanwalt geht von rechtsextremistischen Motiven aus

Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war im Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses im Landkreis Kassel getötet worden. Ernst muss sich wegen der Tat vor dem Staatsschutzsenat des OLG verantworten. Laut Generalbundesanwalt handelte der 46 Jahre alte Familienvater aus rechtsextremistischen Motiven. Der zweite Angeklagte, Markus H., wird der Beihilfe beschuldigt. H. sei am Tatort dabei gewesen, sagte Ernst nun vor Gericht.

In anderer Tatversion H. bezichtigt

Im Januar 2020 hatte Ernst vor einem Ermittlungsrichter seine andere Version des Tathergangs geschildert: Er sei mit H. zu Lübckes Wohnhaus gefahren. Beide hätten den Politiker einschüchtern und bedrohen wollen. Der Schuss habe sich versehentlich gelöst, als H. die Waffe gehalten habe. Beide Tatversionen von Ernst sind in der Verhandlung bereits als Video gezeigt worden.

Richter appellierte an Angeklagte

Warum Ernst sich nun wieder zur Tat bekennt, war zunächst unklar. Zu Prozessbeginn hatte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel die Angeklagten zu einem Geständnis aufgefordert: "Hören Sie nicht auf Ihre Verteidigung, hören Sie auf mich", sagt er. Ein frühzeitiges und von Reue getragenes Geständnis helfe immer.

Hannig als Pflichtverteidiger abberufen

Während des zweiten Geständnisses war Ernst von dem Rechtsanwalt Frank Hannig vertreten worden. Dieser wurde vergangene Woche auf Antrag des zweiten Verteidigers Mustafa Kaplan als Pflichtverteidiger abberufen. Das OLG Frankfurt hatte dazu erklärt: Die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Ernst und Hannig sei nachvollziehbar.

Redaktion beck-aktuell, 5. August 2020 (dpa).