Steinmeier besorgt über geplante Justizreform in Israel

Die geplante Justizreform in Israel beunruhigt auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der von der Regierung geplante "Umbau des Rechtsstaates" bereite Sorge – "gerade weil wir Deutsche immer mit großer Bewunderung auf den starken und lebendigen Rechtsstaat in Israel geschaut haben", sagte Steinmeier am Freitag in Berlin bei einem Empfang zum 50-jährigen Bestehen der Universität Haifa.

Politischer Einfluss auf Justiz geplant

Steinmeier sagte laut veröffentlichtem Redetext, er sei in regelmäßigem Austausch mit seinem Freund und Amtskollegen Isaac Herzog. Er setze auf "seine kluge und ausgleichende Stimme" in der israelischen Debatte. "Gerade weil wir wissen, wie notwendig dieser starke und lebendige Rechtsstaat in der Region ist." Nach den Plänen der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu soll es dem Parlament künftig möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Außerdem sollen Politiker bei der Ernennung von Richtern mehr Einfluss erhalten. Netanjahu ist nach Angaben seines Büros von Mittwoch bis Freitag in Berlin, zum ersten Mal seit seiner Rückkehr an die Regierung. Geplant ist auch ein Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Demonstranten wollen nach Medienberichten am Mittwoch versuchen, die Abreise des konservativen Regierungschefs aus Israel zu stören. Am Donnerstag ist erneut ein "Tag des Zorns" mit Protesten geplant. Auch in Berlin muss Netanjahu mit Kritik rechnen.

Steinmeier lobt Universität Haifa

Der Bundespräsident nannte die Universität Haifa "ein Zentrum, ja geradezu ein Labor des friedlichen Zusammenlebens". Jüdinnen und Muslime, Drusen und Christinnen lernten und forschten dort gemeinsam. Das klinge leider selbstverständlicher als es tatsächlich sei. "Die Universität Haifa, sie steht für ein liberales, ein weltoffenes und vielfältiges Israel", betonte Steinmeier. Es gebe eine ganz besondere Verbindung dieser Universität mit Hamburg. Dort habe sich ein Fördererkreis der Mission verschrieben, insbesondere Studentinnen und Studenten zu unterstützen, denen es häufig gar nicht oder nur schwer möglich ist, eine Hochschule zu besuchen. Diese enge Verbindung nach Haifa sei ein nicht mehr wegzudenkender Teil der deutsch-israelischen Beziehungen, sagte der Bundespräsident.

Weitere Massenproteste am Wochenende

Unterdessen zogen am Samstagabend allein in der Küstenmetropole Tel Aviv etwa 200 000 Demonstranten mit blau-weißen Flaggen durch die Straßen. In Haifa waren es nach Medienberichten etwa 50 000. Auch in Städten wie Jerusalem, Beerscheba und Eilat gab es Kundgebungen. Die Polizei nahm Medienberichten zufolge am Samstag kurzzeitig einen Reporter der Zeitung "Haaretz" fest, der sich auf den Weg zu der Kundgebung in Tel Aviv machen wollte. Demnach gab es Beschwerden über einen Tweet, in dem der Journalist Netanjahu als "Diktator" bezeichnete und ihm abriet, nach Berlin zu reisen.

Viel Kritik aus Politik und Gesellschaft in Israel

Israels Präsident Izchak Herzog hatte sich vor wenigen Tagen erstmals öffentlich gegen die Pläne ausgesprochen. Trotzdem könnten Kernelemente der Reform bereits in den nächsten Tagen das Parlament passieren. Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen, Israel könnte sich in eine Diktatur verwandeln. Der Historiker Yuval Noah Harari ("Eine kurze Geschichte der Menschheit") warf der Netanjahu-Regierung vor, einen "Staatsstreich" zu planen. Das Gesetzesvorhaben könnte Netanjahu auch in einem Korruptionsprozess in die Hände spielen, der seit längerer Zeit gegen ihn läuft. Die Regierung argumentiert dagegen, das Höchste Gericht übe derzeit zu viel politischen Einfluss aus. Die Reform stärke die Demokratie.

Redaktion beck-aktuell, 13. März 2023 (dpa).