Zwar fällt der Unterschied bei den Neueingängen, die der Gerichtshof 2023 im Vergleich zu 2022 zu verzeichnen hatte, gering aus (2022: 806; 2023: 821). Die Zahlen belegen laut dem Gerichtshof aber einen strukturellen Anstieg: Danach gab es bei ihm zwischen 2014 und 2018 durchschnittlich 723, zwischen 2019 und 2023 hingegen durchschnittlich 833 Neueingänge. Klagen haben sich beim Gerichtshof zwischen 2021 (29) und 2023 (60) verdoppelt. Dies sei u.a. auf mehr Vertragsverletzungsverfahren zurückzuführen, insbesondere zum Umweltrecht.
Das Gros der Neueingänge beim Gerichtshof machten mit 90% aber nach wie vor Vorlagen und Rechtsmittel aus. Die Vorlagen betrafen in erster Linie das Asylrecht. Bei vielen ging es auch um steuer- oder verbraucherschutzrechtliche Fragen. Die meisten Vorlagen an den EuGH kamen aus Deutschland, gefolgt von Bulgarien und Polen. Vorlagen kamen aus sämtlichen EU-Mitgliedstaaten. Das belegt laut EuGH, "wie dynamisch der Dialog 'von Richter zu Richter' ist". Bei den erledigten Sachen haben sich die Zahlen in den vergangenen Jahren auf einem vergleichbaren Niveau gehalten (2023: 783; 2022: 808). Verfahren beim Gerichtshof dauerten 2023 durchschnittlich 16,1 Monate – etwas weniger als 2022 (16,4 Monate).
Noch mehr Konzentration auf Kernaufgaben
Beim Europäischen Gericht stiegen die Neueingänge von 904 im Jahr 2022 auf 1.271 im Jahr 2023. Zugenommen haben laut dem EuGH Klagen zum geistigen Eigentum und zum Bankenrecht. Auch drehten sich viele neue Klagen wieder um Sanktionen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, allerdings seien es etwas weniger geworden. Erledigt wurden vom Gericht 2023 904 Sachen, 2022 waren es 858. Auch die von erweiterten Spruchkörpern mit fünf Richtern erledigten Sachen nahmen zu (2023: 123) – um 23% gegenüber 2022. Verfahren beim Gericht dauerten 2023 im Durchschnitt 18,2 Monate. Der EuGH führt dieses "zufriedenstellende Niveau" auf ein effiziente Rechtssachenbearbeitung und die in den vergangenen Jahren verdoppelten Anzahl der EuG-Richter zurück.
Für die Zukunft strebt der EuGH eine gleichmäßigere Verteilung der Arbeitsbelastung auf Gerichtshof und EuG an. Dazu hat er Ende 2022 einen Antrag beim EU-Gesetzgeber mit dem Ziel gestellt, per Satzungsänderung die Zuständigkeiten für Vorabentscheidungsverfahren in bestimmten Sachgebieten auf das Gericht zu übertragen. Außerdem soll das 2019 eingeführte Zulassungserfordernis bei Rechtsmitteln gegen bestimmte Entscheidungen des Gerichts ausgeweitet werden. Diese Reformen sollen es dem Gerichtshof ermöglichen, "sich stärker auf seine Kernaufgaben als Verfassungsgericht und oberstes Gericht der Union zu konzentrieren", erklärt EuGH-Präsident Koen Lenaerts.