DAV und DRB zum Ampel-Koalitionsvertrag

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat ein Statement zum frisch unterzeichneten Koalitionsvertrag der Ampelparteien abgegeben. Positiv sei zu erwähnen, dass der Vertrag sich sehr um Rechtsstaatlichkeit bemühe. Auch die geplante audiovisuelle Beweisaufnahme im Strafprozess sowie Selbstbeschränkungen des Staates im Strafprozessrecht gefielen den Anwaltsvertretern. Auch der Deutsche Richterbund (DRB) zeigte sich überwiegend zufrieden.

DAV: Betonung der Rechtsstaatlichkeit lässt Gutes hoffen

Nach erster Durchsicht ließen sich zwar einige positive Punkte herausstellen, eine vertiefte Auseinandersetzung mit einzelnen Themen des Koalitionsvertrags werde jedoch ein wenig Zeit in Anspruch nehmen, schreibt Hauptgeschäftsführerin Sylvia Ruge am 24.11.2021. Nach erster Durchsicht lassen sich aus Sicht des DAV jedoch bereits einige Punkte herausstellen: “Das der Begriff “Rechtsstaat“ 29-mal auftaucht, lässt Gutes hoffen – zumal ausdrücklich klargestellt wird, dass der Rechtsstaat nicht nur eine Verteidigung der Sicherheit, sondern auch der bürgerlichen Freiheitsrechte bedeutet. Sehr zu begrüßen ist das Vorhaben einer Überwachungsgesamtrechnung. Der DAV fordert schon länger eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation der Sicherheitsgesetze und ihrer Auswirkungen auf Freiheit und Demokratie.

Bekenntnis zum Ultima-Ratio-Prinzip des Strafrechts ist zu begrüßen

Audiovisuelle Beweisaufnahmen sind eine langjährige Forderung des DAV – und rücken nun in greifbare Nähe, nicht nur im Strafprozess. Auch das klare Bekenntnis zum Ultima-Ratio-Prinzip des Strafrechts sei positiv zu werten. Es brauche Evidenz und Evaluation anstatt Bauchgefühl und Signalgesetzgebung. Rechtsstaatlich sehr zu begrüßen seien auch der geplante gesetzliche Rahmen für den Einsatz von V-Personen sowie der erklärte Verzicht auf die Instrumente Quellen-TKÜ, Online-Durchsuchung und auf die anlasslose und verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung.

Regierungspolitik nur mit der Anwaltschaft

Für die Rechtsanwaltschaft sollen Erfolgshonorare und Fremdbesitz auf dem Prüfstand stehen – dies gehe nur im Dialog mit dem DAV, so Ruge. Ein Wermutstropfen sei die mangelnde Erwähnung der Anwaltschaft, etwa beim geplanten Digitalpakt für die Justiz. Ohne Anwaltschaft sei ein solcher kaum denkbar. Die Anwaltschaft werde mit dem DAV die Regierungspolitik konstruktiv begleiten. Während der Regierungsarbeit der Ampelkoalition werde sich der DAV für eine Anhebung der Anwaltsvergütung engagieren und den Schutz des anwaltlichen Berufsgeheimnisses einfordern.

DRB lobt Problembewusstsein der Ampel-Regierung

Auch der DRB hat die Pläne zur Stärkung der Justiz im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP begrüßt. "SPD, Grüne und FDP senden mit ihrem Koalitionsvertrag das wichtige Signal an die Justiz, dass sie die technischen und personellen Probleme in Gerichten und Staatsanwaltschaften gemeinsam mit den Ländern nachhaltig beheben wollen", lobte DRB-Vorsitzende Barbara Stockinger. Es sei sehr erfreulich, dass die Ampel-Koalition das Erfolgsmodell des Bund-Länder-Rechtsstaatspakts verstetigen und um einen Digitalpakt Justiz erweitern wolle, ergänzte der DRB-Vorsitzende Joachim Lüblinghoff. Die Corona-Pandemie habe nochmals verdeutlicht, wie wichtig eine effektive gerichtliche Kontrolle staatlicher Maßnahmen für die Akzeptanz politischen Handelns und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sei.

Personal- und Digitaloffensive gefordert

Die Justiz sei heute durch immer neue gesetzliche Aufgaben, durch Massenverfahren anlässlich des Dieselskandals und durch eine Vielzahl von Corona-Verfahren mehr denn je gefordert, erläuterte Lüblinghoff weiter. "Deshalb ist es unerlässlich, dass die Ampel-Koalition eine Personal- und Digitaloffensive für die Justiz auf den Weg bringt." Der DRB begrüßt es zudem, dass die Ampel das ministerielle Einzelfallweisungsrecht gegenüber den Staatsanwaltschaften nun endlich reformieren will. Es sei höchste Zeit, das deutsche Modell einer politisch weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft den europäischen Standards anzupassen. Deutschland dürfe in dieser Frage in Europa nicht ins Abseits geraten, so die DRB-Vorsitzenden.

 

Redaktion beck-aktuell, 25. November 2021.