Stark blutender Finger rechtfertigt kein zu schnelles Fahren

Der Betroffene fuhr auf dem Weg ins Krankenhaus zu schnell. Seine Frau hatte sich in den Finger geschnitten, die Wunde blutete stark, auf den Rettungswagen wollte der Betroffene nicht warten. Das habe die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht gerechtfertigt, entschied das Amtsgericht Frankfurt am Main mit jetzt mitgeteiltem Urteil vom 22.03.2019 und verurteilte ihn zu einer Geldbuße und verhängte ein einmonatiges Fahrverbot. Eine Notstandssituation habe nicht vorgelegen.

Wegen stark blutenden Fingers zu schnell gefahren

Der Betroffene war mit seinem Pkw innerorts mit einer Geschwindigkeit von mindestens 80 km/h gefahren, wobei lediglich 30 km/h erlaubt waren. Er rechtfertigte dies damit, dass seine Ehefrau sich beim gemeinsamen Kochen mit den Kindern am Zeigefinger geschnitten habe. Die Wunde habe so stark geblutet, dass er sich entschieden habe, keinen Rettungswagen zu rufen, sondern selbst ins Krankenhaus zu fahren. Einige Monate zuvor habe sich bereits ein Vorfall ereignet, bei dem der wegen Unterleibsschmerzen der Ehefrau gerufene Rettungswagen erst nach rund 40 Minuten eingetroffen sei.

AG: Kein rechtfertigender Notstand

Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um 50 km/h zu einer Geldbuße von 235 Euro verurteilt sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Zwar könne auch eine Ordnungswidrigkeit grundsätzlich durch Notstand gemäß § 16 OWiG gerechtfertigt sein. Dies scheide hier aber aus zwei Gründen aus: Zum einen habe schon keine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben der Ehefrau vorgelegen, weil weder ihr Tod noch eine sonstige Komplikation aufgrund der Verletzung ernsthaft zu erwarten gewesen seien. Zum anderen käme eine Rechtfertigung auch nur dann in Betracht, wenn die gegenwärtige Gefahr objektiv nicht anders abwendbar gewesen wäre. Hier sei es dem Betroffenen jedoch im Sinne eines alternativ rechtmäßigen Verhaltens zumindest zumutbar gewesen, ein Rettungsfahrzeug zu rufen.

AG Frankfurt a. M., Urteil vom 22.03.2020 - 955 Js-OWi 65423/19

Redaktion beck-aktuell, 29. Mai 2020.