Die deutschen Städte fordern über den Kampf gegen zu viele Diesel-Abgase hinaus eine grundlegende "Investitionsoffensive" für umweltfreundlicheren Verkehr. Dafür seien für mindestens zehn Jahre insgesamt 20 Milliarden Euro zusätzlich von Bund und Ländern erforderlich, sagte der Präsident des Städtetags, Markus Lewe, am 22.06.2018. Auch angesichts von immer mehr Pendlern seien ein gut erreichbarer und schnellerer öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), gute Fußwege und sichere Radwege unverzichtbar. Beim Autoverkehr gehe es etwa um Carsharing-Angebote und eine Umstellung auf leise und saubere Leichtfahrzeuge und Lastenräder für die Warenanlieferung.
Gerechtere Aufteilung von Verkehrsflächen
Busse und Bahnen stünden in einem Preis- und Qualitätswettbewerb mit Pkw, sagte Lewe. Deshalb dürften Investitionskosten in den Städten nicht zu einem Anstieg der Fahrpreise führen. "Der Umweltverbund aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr ist für die künftige Mobilität so wichtig, dass ihn Bund und Länder noch entschiedener fördern müssen." In den Innenstädten gilt es laut Städtetag, Verkehrsflächen "gerechter" zwischen Fußgängern, Radlern und Autofahrern aufzuteilen. Zusehends selbstfahrende Autos dürften nicht zusätzlichen Verkehr erzeugen.
Autobauer in die Pflicht nehmen
Für eine stärkere Reduzierung des Schadstoffausstoßes forderte der Städtetag die Bundesregierung erneut auf, die Autobauer zu Umbauten an Motoren älterer Diesel zu verpflichten. "Die Nachrüstung wäre auch ein klares Signal an die Gerichte, dass endlich das Problem an der Wurzel behandelt wird", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. "Die bisherigen Urteile sollten ein Weckruf für alle sein, die meinen, man könne Fahrverbote per politischer Erklärung ausschließen." Das Bundesverwaltungsgericht hatte solche Verbote für grundsätzlich zulässig erklärt, die aber verhältnismäßig sein müssten.
Nachrüstungen älterer Pkw umstritten
Die Bundesregierung streitet schon seit Monaten über technische Nachrüstungen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) fordert sie. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) argumentieren dagegen. Die Branche lehnt sie strikt ab, hat aber neue Abgas-Software für zusätzliche 2,8 Millionen Diesel bis Ende 2018 zugesagt. Der genaue Fortgang dieser Updates ist ungewiss, zudem ist der Zeitplan ins Wanken geraten.
Redaktion beck-aktuell, 25. Juni 2018 (dpa).
Aus der Datenbank beck-online
Klinger, Luftreinhalteplanung und Verwaltungsrechtsschutz: Rechtsanspruch, Vollstreckung, Dieselfahrverbote, ZUR 2018, 272
Bollmann/Töller, Lösungen auf der Suche nach Problemen? Instrumentenwandel in der deutschen Elektromobilitätspolitik, ZfU 2018, 105
Reese, Für die Verkehrswende ein Gemeindeverkehrsplanungsgesetz, ZUR 2018, 321
Hansen, Instrumente zur Förderung der Verkehrswende in Deutschland: das Sofortprogramm Saubere Luft der Bundesregierung und neue Ideen für den ÖPNV, BWGZ 2018, 314
Klinger, Dieselfahrverbotsurteil, oder: Wie Demokratien leben, ZUR 2018, 257
BVerwG, Luftreinhaltepläne Düsseldorf und Stuttgart: Diesel-Verkehrsverbote möglich, DAR 2018, 219
Aus dem Nachrichtenarchiv
Dreckige Luft: Noch keine Klage aus Brüssel gegen Deutschland, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 25.04.2018, becklink 2009728
Zu hohe Stickoxidbelastung: EU-Kommission prüft weitere Schritte, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 12.02.2018 , becklink 2009061
Verstöße gegen EU-Recht: Aktuell 74 Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 06.02.2018, becklink 2009006
Besser ist nicht gut genug: Stadtluft noch zu schmutzig, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 02.02.2018, becklink 2008981
Umweltverbände drängen Brüssel zu harter Linie gegen Deutschland, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 29.01.2018, becklink 2008926