Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen "Colonia Dignidad"-Sektenarzt ein

Die Ermittlungen gegen Hartmut Hopp, einst Arzt der berüchtigten Sekte "Colonia Dignidad" in Chile, sind eingestellt worden. Es habe sich trotz erheblichen Aufwands kein hinreichender Tatverdacht ergeben, teilte die Staatsanwaltschaft Krefeld am 07.05.2019 mit. Hopp war in Chile wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch verurteilt worden. Der Mediziner hatte sich 2011 nach Deutschland abgesetzt, bevor die in Chile gegen ihn verhängte fünfjährige Haftstrafe rechtskräftig wurde.

Weder Auslieferung nach Chile noch Verbüßung der verhängten Strafe in Deutschland

Weil er als Deutscher nicht ausgeliefert werden darf, hatte Chile beantragt, dass er die fünfjährige Haftstrafe in Deutschland verbüßt. Doch das hatte das Düsseldorfer Oberlandesgericht als letzte Instanz verhindert: Das im Urteil der chilenischen Justiz dargestellte Verhalten Hopps sei nach deutschem Recht nicht strafbar, hatte das Gericht im September 2018 befunden. In den chilenischen Urteilsgründen seien keine konkreten Handlungen Hopps genannt, die eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch rechtfertigten, betonten die Richter. Und weiter hatte das OLG Düsseldorf klargestellt: Hopp habe Schäfer keine Kinder zugeführt. Der Arzt habe die Klinik der Siedlung geleitet und nicht das Internat, in dem die Kinder missbraucht wurden.

"Colonia Dignidad"-Gründer Paul Schäfer wegen Kindesmissbrauch verurteilt

Hopp zählte zum Führungskreis um den deutschen "Colonia Dignidad"-Gründer Paul Schäfer. Bekannt wurde die Siedlung, weil dort während der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet politische Häftlinge gefoltert und ermordet wurden. Schäfer wurde 2006 wegen Kindesmissbrauchs in Chile zu 20 Jahren Haft verurteilt und starb dort 2010 im Gefängnis.

Langjährige Ermittlungen nach mehreren Strafanzeigen

Siebeneinhalb Jahre lang hatte die deutsche Staatsanwaltschaft nach mehreren Strafanzeigen seit 2011 selbst gegen den inzwischen 74-jährigen Hopp ermittelt. Hopp war unter anderem Beihilfe zu sexuellem Kindesmissbrauch vorgeworfen worden, außerdem eine Beteiligung an der Ermordung chilenischer Regimegegner. Konkrete Hinweise auf Hopps Mitwirkung an Straftaten seien nicht festzustellen gewesen, erklärte Oberstaatsanwalt Axel Stahl. Eine Opferanwältin hat bereits Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen angekündigt.

Europäisches Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte: Vertrauen in deutsche Justiz erschüttert

"Die Betroffenen sind fassungslos, ihr Vertrauen in die deutsche Justiz ist erschüttert", kritisierte das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte nach der Entscheidung der Staatsanwaltschaft. In Deutschland und in Chile lebten zahlreiche aussagebereite Zeugen. Sie seien schlicht ignoriert worden. Die Staatsanwaltschaft widersprach: Es seien zahlreiche Zeugen zum Teil auch in Chile vernommen und alle erfolgversprechenden Ermittlungsansätze ausgeschöpft worden. Einige Vorwürfe seien allerdings verjährt.

Siedlung von deutschen Auswanderern gegründet

Die von deutschen Auswanderern gegründete Siedlung, später in Villa Baviera umbenannt, liegt rund 350 Kilometer südlich von Santiago de Chile. Die deutsche Sekte war Anfang der 1960er Jahre aus Siegburg bei Bonn ausgewandert.

Redaktion beck-aktuell, 8. Mai 2019 (dpa).

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