Keine deutsche Gerichtsbarkeit für Anlegerklagen wegen griechischer Staatsanleihen
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Zwei Anleger, die wegen Verlusten aus der Umschuldung griechischer Staatsanleihen ohne Erfolg vor deutschen Gerichten gegen Griechenland geklagt hatten, sind auch vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Der Bundesgerichtshof sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Umschuldung der Staatsanleihen als hoheitliche Maßnahme eines ausländischen Staats nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt, so das BVerfG in seinem Beschluss vom 06.05.2020.

Anleger klagten wegen Hair-Cut-Verlusten erfolglos gegen Griechenland

Die beiden Beschwerdeführer hatten auf dem Sekundärmarkt griechische Anleihen erworben, die Griechenland zwischen 1998 und 2010 ausgegeben hatte. Im Februar 2012 trat in Griechenland ein Gesetz in Kraft, mit dem zur Restrukturierung des griechischen Staatshaushaltes eine Umschuldungsregelung eingeführt wurde. Aufgrund dieses Gesetzes unterbreitete Griechenland den Anleiheberechtigten ein Umtauschangebot, das von der Mehrheit der Anleiheberechtigten – nicht aber von den Beschwerdeführern – angenommen wurde: Die ausgegebenen Anleihen sollten gegen neue Anleihen zu einem um 53,5% niedrigeren Nennwert getauscht werden (sogenannter Hair-Cut). Daraufhin wurden bei den depotführenden Banken die bisherigen Anleihen der Beschwerdeführer aus- und die neuen Anleihen eingebucht. Die Beschwerdeführer klagten ohne Erfolg gegen Griechenland auf Rückzahlung der mit den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen aufgewendeten Mittel gegen Rückbuchung der Anleihen, hilfsweise auf Schadenersatz für die erlittenen Wertverluste. Der BGH wies die Revision der Beschwerdeführer zurück.

BVerfG: Keine Vorlagepflicht – Allgemeine Völkerrechtsregel der Staatenimmunität angewandt

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Das angegriffene BGH-Urteil verletze die Beschwerdeführer nicht in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter. Einer Vorlage an das BVerfG zur Völkerrechtsverifikation (Art. 100 Abs. 2 GG) habe es nicht bedurft. Der BGH habe lediglich die allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts angewandt, dass ein Staat grundsätzlich keiner fremden Gerichtsbarkeit unterworfen sei. Dabei gelte die staatliche Immunität nach einem restriktiven Immunitätsverständnis, dem die Staaten heute mehrheitlich und auch der Senat folgten, nur für Hoheitsakte, nicht aber für privatwirtschaftliches Handeln. In dem angegriffenen Urteil gehe der BGH zwar davon aus, dass die Emission von Staatsanleihen als Akt privatwirtschaftlichen Handelns zum Kreis des nicht-hoheitlichen Handelns gehöre. Weiter führe er jedoch aus, dass es im vorliegenden Fall darauf nicht ankomme, sondern auf die Rechtsnatur der hoheitlichen Maßnahme, die zur Aus- und Umbuchung der Staatsanleihen bei den Beschwerdeführern geführt habe. Diese Umschuldungsmaßnahmen seien durch den griechischen Gesetzgeber vorgenommen worden und daher als Hoheitsakt zu qualifizieren. Dies sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Kürzung des Anleihen-Nennwerts durch gesetzlichen Zwangsumtausch ist Hoheitsakt

Laut BVerfG ist das BGH-Urteil im Übrigen auch zutreffend. Während die Emission von Staatsanleihen nach ganz überwiegender Ansicht zum Kreis nicht-hoheitlichen Handelns gerechnet werde, gehöre die Gesetzgebung zu dem allgemein anerkannten Bereich hoheitlicher Tätigkeit. Ein Hoheitsakt liege auch vor, wenn ein Staat den seiner Hoheitsgewalt Unterworfenen zur Einnahmenerzielung einseitig und gegenleistungsfrei Steuern und sonstige Abgaben auferlege. Unter Zugrundelegung dieser Wertungen der für die Abgrenzung ausschlaggebenden deutschen Rechtsordnung stehe auch im vorliegenden Rechtsstreit ein Hoheitsakt in Rede: Gegenstand des Rechtsstreits sei die Kürzung der Ansprüche der Beschwerdeführer aufgrund des durch griechisches Gesetz veranlassten Zwangsumtausches und die damit verbundene unterbliebene vollständige Auszahlung des ursprünglich geschuldeten vollen Nennwerts der emittierten und sodann zwangsumgetauschten Staatsanleihen. Eine solche Kürzung des Nennwerts durch Gesetz stehe einem privaten Marktteilnehmer als Handlungsoption nicht zur Verfügung und gehöre jedenfalls für nach dem Recht des emittierenden Staates begebene Anleihen zum Kernbereich hoheitlichen Handelns. Als solche hoheitliche Maßnahme eines ausländischen Staates unterliege sie nicht der deutschen Gerichtsbarkeit.

BVerfG, Beschluss vom 06.05.2020 - 2 BvR 331/18

Redaktion beck-aktuell, 27. Mai 2020.