Die Auseinandersetzung um die Frage, ob die Justiz verpflichtet ist, auf Medienanfragen die Namen von Prozessbevollmächtigten mitzuteilen, solange diese noch nicht öffentlich sind und es zu keinem öffentlichen Verfahren gekommen ist, geht weiter. Mit seinem ablehnenden Beschluss (Beschluss vom 20.8.2025 – 7 CE 1263/25) stellt sich der VGH München gegen einen früheren Beschluss des OVG Hamburg.
In den vergangenen Monaten hatte insbesondere der Springer-Konzern vermehrt versucht, bei deutschen Staatsanwaltschaften die Namen von Verteidigerinnen und Verteidigern zu erfahren, um mit diesen für eine Berichterstattung in der Bild-Zeitung in Kontakt zu treten. Springer ist der Ansicht, dass es nicht ausreiche, wenn die Kontaktanfrage an den Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin weitergeleitet werde. Nachdem zunächst die Staatsanwaltschaft Hamburg eine solche Auskunft verweigert hatte, erwirkte Springer eine einstweilige Anordnung. Das OVG Hamburg war in seinem Beschluss insbesondere der Auffassung, dass das Persönlichkeitsrecht der Verteidigung gegenüber dem Medieninteresse am Namen des Anwalts zurücktreten müsse.
BILD verlangt Name des Anwalts des Tatverdächtigen*
Mit dem Beschluss des OVG Hamburg im Rücken verlangte ein Redakteur der Bild-Zeitung sodann von der Staatsanwaltschaft München I die Auskunft, „wie der Anwalt des Tatverdächtigen heiße, der im Stadtteil F. einen 59-jährigen Mann getötet haben soll“. Die Staatsanwaltschaft lehnte diese Auskunft ab. Sie begründete dies insbesondere damit, dass sie Auskünfte nach den presserechtlichen Vorschriften verweigern dürfe, wenn diesen Verschwiegenheitsrechte entgegenstünden. Zu diesen Rechten gehören nach Ansicht der Staatsanwaltschaft auch die anwaltliche Verschwiegenheit aus § 43a Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO).
Den entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wiesen sowohl das VG München wie jetzt auch der VGH München zurück. In seiner ausführlichen Begründung sieht der VGH schon keinen Anordnungsgrund, also keine Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch.
Die Münchener Richterinnen und Richter hatten bereits Zweifel daran, ob die Frage nach dem Namen des Verteidigers überhaupt von einem Auskunftsanspruch gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 des bayerischen Pressegesetzes gedeckt sei. Denn es sei schon zweifelhaft, ob eine Auskunft verlangt werde, wenn es nur darum gehe, eine Kontaktaufnahme zu ermöglichen. Die gestellte Frage diene nur dazu, den Strafverteidiger als „Informant“ oder „Mittelsmann“ für eine Kontaktaufnahme mit dem Beschuldigten zu nutzen. Dies sei aber kein Zweck einer Auskunft nach den presserechtlichen Vorschriften.
Anwaltliche Verschwiegenheitspflicht steht Auskunft entgegen
Jedenfalls müsse die Staatsanwaltschaft in diesem Fall schon deswegen die Auskunft ablehnen, weil ihr die anwaltlichen Verschwiegenheitsrechte entgegenstünden. Die aus der Nichtöffentlichkeit des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sowie aus § 43 Abs. 2 BRAO folgenden Geheimhaltungsinteressen wögen hier besonders schwer. Denn im nichtöffentlichen Ermittlungsverfahren sei ein besonders behutsamer Umgang mit Personendaten erforderlich. So dürfe ein Rechtsanwalt seine Tätigkeit für einen Mandanten nicht ohne dessen Zustimmung offenbaren. Dies gebiete das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Anwältinnen und Anwälten und ihrer Mandantschaft. Da auch Behörden verpflichtet seien, Berufsgeheimnisses zu beachten, seien auch die Staatsanwaltschaften an diese Wertung gebunden.
Zudem: Für eine Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren sei die Kenntnis des Verteidigernamens überhaupt nicht erforderlich. Insbesondere da es ausreichende Auskünfte von Polizei und Staatsanwaltschaft nach der Tat gegeben habe. Es sei auch zu beachten, dass in dem streitgegenständlichen Verfahren bisher weder der Verteidiger noch der Betroffene an die Öffentlichkeit gegangen seien. „Deshalb liegt es mehr als nahe, dass der betroffene Strafverteidiger und sein Mandant nicht mit dem Antragsteller in Kontakt treten, sondern im Stadium des Ermittlungsverfahrens in der gesetzlich vorgesehenen Anonymität bleiben wollen“, formulierten es die Richterinnen und Richter.
Offenlassen konnte der VGH die Frage, ob es überhaupt einen Anordnungsgrund, also eine Berechtigung für ein Eilverfahren, gab. Da es die Redaktion unterlassen habe, die Staatsanwaltschaft zu bitten, ihre Kontaktanfrage an den Rechtsanwalt weiterzuleiten, sei aber auch dies zweifelhaft. Denn genau das hätte Springer tun müssen, damit ein Anordnungsgrund nach einer entsprechenden Ablehnung vorgelegen hätte.
Bundesverwaltungsgericht am Zug – wenn Springer es so will
Damit hat der VGH München eine nachvollziehbare Interessenabwägung vorgenommen und dem Auskunftsverweigerungsanspruch aufgrund des Mandatsgeheimnisses den Vorrang gewährt. Für die Berichterstattung über ein Gerichtsverfahren vor einer öffentlichen Verhandlung muss man nicht den Namen des oder der Prozessbevollmächtigten kennen. Auch geht das Persönlichkeitsrecht und auch die berufliche Verschwiegenheit von Anwältinnen und Anwälten dem Auskunftsanspruch der Medien vor - wenn denn die Frage nach dem Namen überhaupt dazu gehört.
Anwältinnen und Anwälte müssen mit ihrer Mandantschaft klären, ob sie mit den Medien Kontakt aufnehmen möchten oder nicht. Deshalb brauchen sie auch nicht damit zu rechnen, dass die Justiz - ohne sie zu informieren - ihre Kontaktdaten herausgibt. Beide, Anwältinnen und Anwälte wie auch ihre Mandantinnen und Mandanten, haben das Recht, nicht mit den Medien zu sprechen. Sie müssen es auch nicht hinnehmen, dass die Medien versuchen, mit ihnen gegen ihren Willen Kontakt aufzunehmen. Dies ändert sich erst, wenn es zu einer öffentlichen Verhandlung kommt.
Damit stehen sich jetzt aber zwei gegenläufige, nicht mehr anfechtbare Entscheidungen im einstweiligen Verfügungsverfahren gegenüber. Die Frage endgültig klären könnte nur das BVerwG. Dazu müsste Springer allerdings ins Hauptsacheverfahren gehen. Nur dann könnte das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung und divergierender Entscheidungen den Weg nach Leipzig finden.
*Sachliche Korrektur am Tag der Veröffentlichung, 18.02 Uhr (pl)