Spionageverdacht: Polnischer Richter flieht nach Belarus - Tusk warnt vor Geheimdiensten

Nach der Flucht eines polnischen Richters in das autoritär regierte Belarus hat Polens Regierungschef Donald Tusk vor den Aktivitäten feindlicher Geheimdienste in seinem Land gewarnt. "Wir dürfen diese Sache nicht unterschätzen", sagte er am Dienstag in Katowice am Rande einer Kabinettssitzung.

Die belarussischen Geheimdienste hätten mit einer Person zusammengearbeitet, die Zugang zum früheren Justizminister gehabt habe und mitverantwortlich für die Zerstörung des polnischen Justizwesens sei, so Tusk mit Blick auf Richter Tomasz Szmydt vom Warschauer Bezirksverwaltungsgericht.

Am Montag hatten belarussische Medien berichtet, dass Szmydt in Belarus um Asyl gebeten habe. Seinen Schritt begründete der Richter demnach damit, dass er mit der Politik der derzeitigen polnischen Regierung nicht einverstanden sei und deshalb bedroht werde. Szmydt lobte Lukaschenko als "sehr weisen Führer" und warnte, die USA wollten Polen in einen bewaffneten Konflikt hineinziehen.

Das Verhältnis zwischen dem EU- und Nato-Land Polen und seinem Nachbarland Belarus ist seit längerem angespannt. Polen gehört zu den wichtigsten militärischen Unterstützern der von Russland angegriffenen Ukraine. Belarus ist ein enger Verbündeter Moskaus.

Inzwischen hat die polnische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Richter wegen Verdachts der Tätigkeit für einen fremden Geheimdienst aufgenommen. Für Mittwoch hat Regierungschef Tusk die für Sicherheit zuständigen Minister seines Kabinetts zu einer Sondersitzung zusammengerufen. Nach Angaben von Polens Justizminister Adam Bodnar hatte Szmydt in seiner Funktion als Richter am Bezirksverwaltungsgericht in Warschau auch Zugang zu Dokumenten, die der Geheimhaltung unterliegen.

Szmydt bereits 2019 als PIS-freundlich aufgefallen

Richter Szmydt war bereits 2019 in Polen in die Schlagzeilen geraten. Die von 2015 bis 2023 amtierende nationalkonservative PiS-Regierung sorgte damals mit ihren umstrittenen Justizreformen zur Neuordnung des Obersten Gerichts für viel Unruhe unter polnischen Richtern. Auch Szmydt beteiligte sich damals an einer Schmutzkampagne in sozialen Medien gegen Richter, die dem Vorhaben der PiS-Regierung kritisch gegenüberstanden. In der Sache ermittelt bis heute die Staatsanwaltschaft.

Redaktion beck-aktuell, gk, 8. Mai 2024 (dpa).