So soll das 9-Euro-Monatsticket funktionieren

Es ist eine einmalige Aktion - und ein großes Experiment: Vom 01.06.2022 an sollen Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr für 9 Euro pro Monat Busse und Bahnen nutzen können, bundesweit und bis Ende August. Die Verkehrsbranche wurde von den Plänen der Regierungskoalition überrascht und arbeitet nun unter Hochdruck an der Umsetzung. Sie will versuchen, neue Kunden bei der Stange zu halten. 

9-Euro-Monatsticket soll bundesweit gelten

Das günstige Ticket soll bundesweit gelten. Wer eines in Berlin kauft, kann damit also auch Busse und Bahnen in Hamburg, München oder in anderen Städten nutzen. Wer bereits ein Abo hat, für den sollen Vorteile weiterhin gelten, in Berlin ist das etwa an Wochenenden die kostenlose Mitnahme von Kindern. Diese Zusatzvorteile sollen aber nur für das vertragliche Tarifgebiet gelten. Für Neukunden gilt das Ticket für die Person, die es erworben hat. Das 9-Euro-Ticket wird im Juni, Juli und August angeboten. Es gilt bis zum Ende des Monats, in dem es gekauft wurde und verlängert sich nicht automatisch. Das Ticket gilt auch für den Regionalverkehr, nicht aber für den Fernverkehr der Deutschen Bahn - also nicht für ICE, IC oder EC. 

Lösungen für Abonnements und Semestertickets

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte empfohlen, den Rabatt über ein Online-Ticket anzubieten. Dies biete auch die Chance für einen Schub bei der Digitalisierung. Das aber würde Menschen ohne Online-Zugang ausschließen. Deswegen soll das 9-Euro-Monatsticket auch über Fahrkartenautomaten und Kundencenter erhältlich sein. Geplant ist laut VDV auch eine bundesweite App. Der Verband plant eine bundesweite Informationskampagne auch mit einer digitalen Plattform. Für Abonnentinnen und Abonnenten etwa von Monatstickets soll es laut VDV einen "Treuebonus" geben. Abokunden sollen sich um nichts kümmern müssen. Das 9-Euro-Monatsticket soll verrechnet werden - über eine Verringerung des Bankeinzugs oder eine Erstattung. Andernfalls war die Befürchtung, dass viele Kunden ihre Abos kündigen könnten. Auch für Semestertickets soll es eine Lösung geben. Für Neukunden soll das Ticket ein "Schnupperticket" sein. Es soll laut VDV "im Laufe des Mais" verfügbar sein. Neukunden sollen, sofern sie dem zustimmen, von den Verkehrsunternehmen Anschlussangebote bekommen. Die Branche will die Chance nutzen, durch das Ticket dauerhaft neue Kunden zu gewinnen - nach starkem Rückgang der Fahrgastzahl in der Corona-Pandemie.

Volle Züge über Pfingsten wahrscheinlich

Auf den Start am Mittwoch, den 1. Juni folgt direkt das Pfingstwochenende. Das macht es möglich, für ein langes Wochenende mit dem Regionalexpress für 9 Euro zum Beispiel von Berlin aus an die Ostsee zu fahren, das ist dann deutlich günstiger. Oder man fährt statt mit einem ICE oder IC mit einer oder mehreren Regionalbahnen von A nach B. Der Fahrgastverband Pro Bahn warnte bereits vor übervollen Zügen auf touristisch beliebten Strecken. Pro-Bahn-Sprecher Karl-Peter Naumann sagte der "Rheinischen Post", dafür müssten mehr Züge bestellt werden. VDV-Hauptgeschäftsführer Wolff sagte, falls es zu übervollen Zügen komme, sei es schwierig, zusätzliche Züge anzubieten. "Mit diesem Umstand werden Bund und Branche gemeinsam umgehen müssen." Es gebe schlicht nicht mehr Kapazitäten.

Bahn verspricht sich Attraktivitätsschub 

Die Bahn verspricht sich einen Attraktivitätsschub. Ein Sprecher sagte, alle DB-Regio-Fahrgäste würden vom 9-Euro-Ticket profitieren. “Im Regionalverkehr modernisieren, digitalisieren und erweitern wir die Kapazitäten kontinuierlich weiter.“ Die Nutzung im Nahverkehr nehme wieder deutlich zu. In den vergangenen zwei Jahren habe die DB rund 1,5 Milliarden Euro allein in die Erneuerung der Fahrzeugflotte im Regionalverkehr investiert. Der VDV rechnet nach einer ersten vorsichtigen Schätzung damit, dass insgesamt 30 Millionen alte und neue Fahrgäste das Ticket nutzen werden. Ziel der Ampel-Koalition ist es, dass möglichst viele Autofahrer umsteigen. Allerdings gilt das Ticket nun mitten in der Ferienzeit. “Die Aktion soll möglichst kein Strohfeuer bleiben“ sagte Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des VDV, am 14.04.2022 in Berlin.

Bund will Kosten übernehmen

Der Bund hatte zugesagt, die Kosten für das 9-Euro-Monatsticket von insgesamt 2,5 Milliarden Euro zu übernehmen. Das Geld müsse vor dem Start über die Länder bei den Unternehmen und Verbünden sein, so der VDV. Notwendig ist dafür zunächst eine Änderung des Regionalisierungsgesetzes, auf dessen Basis Regionalisierungsmittel vom Bund an die Länder gezahlt werden zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs. Der Zeitplan ist eng, bis zum 20.05.2022 müssten Bundestag und Bundesrat zustimmen. Die Länder fordern zudem vom Bund weitere Milliardenhilfen für die Verkehrsunternehmen, um etwa Kostensteigerungen bei Energiepreisen ausgleichen zu können. Ansonsten könnten nach dem Auslaufen des 9-Euro-Monatstickets die Tarife nach oben schießen im Vergleich zum jetzigen Stand.

Redaktion beck-aktuell, Andreas Hoenig, 14. April 2022 (dpa).

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