Verstirbt eine Ehegattin oder ein Ehegatte innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung, vermutet das Sozialgesetzbuch eine Versorgungsehe, die den Anspruch auf eine Witwen- bzw. Witwerrente ausschließt. Die hinterbliebene Person hat dann zu beweisen, dass doch die Liebe Grund für die Eheschließung war. War bei der Eheschließung eine tödliche Krankheit bekannt, ist die Beweislast sogar nochmal größer. Dieser Gegenbeweis ist einem Witwer gelungen (Gerichtsbescheid vom 29.11.2024 – S 24 R 4315/21).
Seit 2013 war er mit seinem Lebensgefährten in einer Beziehung, die beiden lebten seit 2014 zusammen. Nach einem Verkehrsunfall im Juli 2019 wurde bei seinem Partner zufällig ein bösartiger und lebensbedrohlicher Tumor festgestellt. Es folgten eine Chemotherapie und zahlreiche Arztbesuche, die im März 2020 eine deutliche Verschlechterung seines Zustands und einen Fortschritt des Tumors zeigten. Ende März 2020 heirateten sie dann. Nur rund zwei Monate später fand die Ehe dann ihr tragisches Ende. Der kranke Ehegatte wurde im Juni in komatösem Zustand per Krankenwagen in ein Klinikum gebracht und verstarb dort nur wenige Tage später infolge einer Einblutung. Der Witwer beantragte eine Hinterbliebenenrente, die die Rentenversicherung allerdings ablehnte. Aufgrund des hochmalignen Tumors mit ungünstiger Prognose sei von einer Versorgungsehe – also einer Ehe, die nur die Hinterbliebenenrente zum Zweck hat – auszugehen. Eine solche würde die Witwerrente nach § 46 Abs. 2a SGB VI ausschließen.
Heiratsabsichten schon lange gehegt
Der Witwer legte hiergegen Widerspruch ein und beharrte darauf, dass die schwere Krankheit gerade kein genereller Ausschlussgrund sei, man müsse schließlich alle Umstände betrachten. Er gliederte dazu in seinem Widerspruch die langjährige Beziehung zu seinem Partner weiter auf. Schon im Mai 2013 hätten die beiden sich kennen und lieben gelernt, und schon kurz vor Weihnachten 2018 beschlossen, ihre Liebe mit einer Heirat zu besiegeln. Zum Zeitpunkt der Diagnose sei die Ehe schon lange geplant gewesen, was auch Freundinnen und Freunde wie Bekannte gewusst hätten. Nur habe die Beschaffung von Unterlagen die Heirat herausgezögert, was zum Zeitpunkt der Diagnose aber schon beantragt gewesen sei.
Die Rentenversicherung zeigte sich indes hart. Sie verwies in ihrem Bescheid erneut auf den § 46 Abs. 2a SGB VI, der bei Ehen unter einem Jahr von Versorgungsehen ausgeht. Das könne zwar im Einzelfall widerlegt werden, die langjährigen Heiratsabsichten seien dafür aber nicht konkret genug gewesen. Mit dieser Argumentation griff der Versicherer allerdings zu kurz, wie die 24. Kammer des SG Stuttgart daraufhin entschied.
Gegenbeweis hart, aber nicht unmöglich
In der Tat vermute das Gesetz, dass bei einer kurzen Ehe von einer Versorgungsehe auszugehen sei, so das Gericht. Der Witwer musste daher im Sinne des Gesetzes anhand "besonderer Umstände" beweisen, dass die Hinterbliebenenrente nicht der alleinige Zweck der Ehe war. Hierfür seien alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls relevant, so auch die Beweggründe der Ehegatten.
Das Gericht müsse am Ende zur Überzeugung gelangen, dass andere Gründe mindestens genauso wichtig für die Eheschließung waren wie die in Aussicht stehende Rente. Je offensichtlicher und lebensbedrohlicher die Krankheit zum Zeitpunkt der Eheschließung, umso stärker müsse der Gegenbeweis sein. Im Falle des Witwers brauchte es nach Ansicht des SG Stuttgart daher "besonders gewichtige" Gründe. Denn die beiden Lebenspartner hätten zwar nicht konkret absehen können, wieviel Zeit dem Erkrankten noch bleiben werde, seien aber sehr wohl über den Ernst der Lage und die tödliche Prognose aufgeklärt gewesen.
Ehe nur der Gipfel des Eisbergs
Das SG Stuttgart kam zur Überzeugung, dass es ihm tatsächlich darauf angekommen war, die Liebesbeziehung zu seinem Partner mit der Ehe zu besiegeln. Sie hätten ihre Zusammengehörigkeit durch die Hochzeit nach außen hin zeigen wollen, was ein längst anerkannter besonderer Umstand im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI sei. Die Hochzeit habe damit nur konsequent einen Entschluss verwirklicht, der längst vorher getroffen worden sei. Denn die Heiratspläne seien schon vor dem Zufallsfund 2019 gefasst worden, insbesondere hätten sie sich bereits in der Vorweihnachtszeit 2018 verlobt.
Mit einer Rechnung konnte der Witwer beweisen, dass er seine Geburtsurkunde mitsamt Übersetzung aus dem Albanischen einen Monat vor der Diagnose beantragt hatte. Auch eine Zeugin aus dem Freundes- und Bekanntenkreis hatte vor Gericht ausgesagt, dass bereits im März 2019 von Heiratsplänen die Rede gewesen sei.
Im Ergebnis zeigte sich in den Augen des Gerichts, dass die beiden Ehegatten nach der Diagnose ihre bereits begonnen Heiratsvorbereitungen nur fortgesetzt hatten. Die Kammer betonte, dass sie vor der starken gesundheitlichen Verschlechterung im März mehrere Vorbereitungen getroffen hätten – etwa die Anmeldung beim Standesamt und die Fixierung des Hochzeitstermins.
Insgesamt sprach damit aus Sicht des Gerichts wenig für eine Versorgungsehe. Nach inzwischen dreijährigem Verwaltungskampf kann der Witwer nun immerhin die kleine Rente in Anspruch nehmen.