Eine ehrenamtliche Richterin nahm im November 2020 an einer rund vierstündigen Sitzung teil. Mit ihr verhandelten der Kammervorsitzende und eine weitere Laienrichterin in einem etwa 12 m2 großen Beratungszimmer, in dem der Abstand voneinander von anderthalb Metern nicht eingehalten werden konnte. Ihre Kollegin klagte an diesem Tag über Kopfschmerzen und erkrankte ein paar Tage später an Covid-19. Fünf Tage nach der Sitzung bekam die Klägerin eine heftige Erkältung und musste im weiteren Verlauf der Erkrankung mit dem Coronavirus in die Notaufnahme des Krankenhauses eingeliefert werden.
Die gesetzliche Unfallversicherung weigerte sich, die Infektion als Arbeitsunfall anzuerkennen. Das Sozialgericht Potsdam hingegen bejahte das Vorliegen der Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nach § 8 Abs. 1 SGB VII.
Infektion kann Arbeitsunfall begründen
Das SG (Urteil vom 06.03.2023 – S 2 U 32/22) sah in den Symptomen einer Infektion einen "Unfall" im Sinne des § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII, weil das Eindringen von Erregern eine Einwirkung auf den Körper "von außen" darstelle. Sie habe sich auch während der Verhandlung mit Covid-19 angesteckt, weil sie ihrer bereits erkrankten Kollegin über rund vier Stunden gegenübergesessen habe.
Der Schwierigkeit, genau zu beweisen, dass sich die Laienrichterin genau an dem Sitzungstag bei ihrer Kollegin angesteckt habe, begegnete das SG Potsdam mit den Richtlinien der DGUV. Diese bejahten die Annahme einer Ansteckung, wenn sich die neu erkrankte Person mit einer zuvor erkrankten Person in dem Zeitraum zwischen zwei Tagen vor dem Auftreten und zehn Tagen nach dem Auftreten derer Symptome in einem Raum mit wahrscheinlich hoher Konzentration infektiöser Aerosole länger als zehn Minuten aufgehalten habe. Die beklagte Versicherung sei Mitglied des Spitzenverbands und müsse sich im Rahmen der Selbstbindung an diesen Vorgaben festhalten lassen.