Von allen Fragen, die sich stellen können, wenn Inhaftierte aus dem Vollzug fliehen, dürfte eine der letzten, die dem Durchschnittsmenschen in den Sinn kommen, diejenige sein, wer fortan für ihre Krankheitskosten aufkommt. Genau das beschäftigte aber im Januar das SG Hannover in einem durchaus tragisch geendeten Fall aus dem Jahr 2016 (Urteil vom 31.01.2024 – S 11 KR 285/19 KH, rechtskräftig).
Ein Häftling war aus dem offenen Vollzug geflohen und hatte anschließend – vermutlich, um sich selbst das Leben zu nehmen – einen Autounfall verursacht, bei dem er schwer verletzt wurde. Er wurde daraufhin in ein Krankenhaus eingeliefert, wo er noch am selben Tag seinen Verletzungen erlag. Im Anschluss stellte sich die wenig sentimentale, aber dennoch notwendige Frage, an wen die Klinik nun die Rechnung für die Behandlungskosten in Höhe von rund 20.000 Euro schicken durfte.
Gefängnisinsassen sind nämlich nicht in einer Krankenkasse versichert; vielmehr kommt die Vollzugsbehörde für ihre Krankheitskosten auf. Das Krankenhaus wandte sich allerdings an die gesetzliche Krankenkasse, bei der der Mann vor seiner Inhaftierung versichert gewesen war, und verlangte von ihr, die Kosten zu erstatten.
SG: Flucht unterbricht Haft
Nachdem diese sich geweigert hatte, gab das SG Hannover dem Krankenhaus schließlich recht und führte aus, der Strafvollzug und damit die Zuständigkeit der Vollzugsbehörde sei durch die Flucht unterbrochen worden. Da der Entwichene sonst keinen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gehabt habe, sei er im Rahmen der Auffangpflichtversicherung bei der seiner alten Krankenkasse pflichtversichert gewesen.
Zwar bestehe der Anspruch auf Krankenfürsorge durch die Vollzugsbehörde auch beim Verlassen der Haftanstalt wie bei Urlaub oder Ausgang fort, eine Flucht aber beende den amtlichen Gewahrsam. Wäre er zwischenzeitlich von der Polizei festgenommen worden, sodass man ihn ins Gefängnis hätte zurückbringen können, hätte der Fall anders gelegen. So aber musste die Krankenkasse zahlen.
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