Jobcenter kürzte Unterkunftskosten für Alleinerziehende
Das erste Verfahren (Az.: S 45 AS 380/16) betraf eine 53 Jahre alte alleinerziehende Mutter mit ihrer inzwischen 16 Jahre alten Tochter. Sie waren 2015 in Görlitz in eine Zwei-Raum-Wohnung gezogen, für die sie 330 Euro Bruttokaltmiete (Grundmiete sowie kalte Betriebskosten) zu zahlen hatten. Sie bezogen Arbeitslosengeld II als Aufstocker. Das Jobcenter Landkreis Görlitz kürzte die Unterkunftskosten gemäß seiner Verwaltungsvorschrift auf 296,10 Euro. Die Klägerinnen wandten sich an das SG.
Deckelung der Unterkunftskosten erfordert Auswertung valider Daten
Die Klage war erfolgreich. Das SG Dresden verurteilte das Jobcenter Landkreis Görlitz zur Übernahme der vollen Unterkunftskosten. Es zog hierbei die Rechtsprechung des BSG zum sogenannten schlüssigen Konzept heran. Demnach darf das Jobcenter die Unterkunftskosten deckeln, wenn es im örtlichen Vergleichsraum die Kosten für eine einfache Wohnung ermittelt hat. Hierbei sind repräsentative und valide Daten zu erheben und nach mathematisch-statistischen Grundsätzen auszuwerten.
Statistik nicht nachvollziehbar
Laut SG hat der Landkreis Görlitz zwar die Kosten der Wohnungen von Grundsicherungsempfängern erhoben. Allerdings habe er hiervon nur die 50% preisgünstigsten Wohnungen in die Statistik einfließen lassen. Hierfür habe das Gericht keine nachvollziehbare Begründung finden können. Ferner habe der Landkreis Görlitz Daten von Wohnungsangeboten erhoben. Die Auswertung dieser Daten habe er allerdings nicht offen gelegt. Auch die Heranziehung von nur 40% der günstigsten Wohnungen bei Zusammenführung der beiden Datensätze von Angebots- und Bestandsmieten habe der Landkreis nicht ausreichend begründet. Ferner konnte das SG eigenen Angaben zufolge bei der Prüfung der Verfügbarkeit von Wohnungen zu den vom Landkreis ermittelten Kosten die Berechnung nicht nachvollziehen. Hierbei prüfe der Landkreis, bis zu welchem Wert die teuersten Bestandsmieten durch günstigere Angebotsmieten zu ersetzen sind. Der Landkreis habe jedoch weder die Verdopplung der Angebotsdaten noch die Beschränkung des Kreises der Wohnungssuchenden auf Grundsicherungsbezieher anhand von Datenmaterial plausibel gemacht.
Nachbesserung des Konzepts nicht möglich
Aus Sicht des SG war keine Nachbesserung des Konzepts des Landkreises Görlitz möglich. Daher dürften die Unterkunftskosten nur entsprechend der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz zuzüglich 10% gedeckelt werden. Der Wert betrage in Görlitz ab 2016 für einen Zweipersonenhaushalt 415,80 Euro. Das SG verurteilte das Jobcenter Landkreis Görlitz daher mit Urteil vom 19.01.2017 zur Zahlung der vollen Unterkunftskosten in Höhe von 330 Euro zuzüglich Heizkosten. Der Landkreis Görlitz hat gegen das Urteil Berufung bei dem Sächsischen Landessozialgericht eingelegt.
In weiterem Verfahren Jobcenter Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zu Zahlung verurteilt
In einem weiteren Verfahren (Az.: S 20 AS 3514/14) hat das SG Dresden auch das Jobcenter Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zur Zahlung weiterer Unterkunftskosten verurteilt. Die 58 Jahre alte Klägerin lebt alleine in einer Zweiraumwohnung in Heidenau. Die Bruttokaltmiete betrug 2014/2015 monatlich 362 Euro. Sie bezieht Arbeitslosengeld II, da sie nur einen Minijob ausübt. Das Jobcenter kürzte die Unterkunftskosten gemäß seiner Verwaltungsvorschrift im Jahr 2014 auf 268,65 Euro. Hiergegen wandte sich die Klägerin vor dem SG.
Kein homogener Vergleichsraum gebildet
Dieses hat der Klage stattgegeben. Auch der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge habe für die Stadt Heidenau 2014/2015 nicht über ein schlüssiges Konzept im oben genannten Sinne verfügt, so das SG. Der Landkreis mit einer Ausdehnung in Ost-West-Richtung von 69 Kilometern stelle keinen homogenen Vergleichsraum dar. Der Wohnungsmarkt sei teilweise städtisch, teilweise ländlich geprägt. Der Landkreis werde durch die Elbe mit Brücken nur in Pirna und Bad Schandau geteilt. In seiner Verwaltungsvorschrift habe der Landkreis die Städte Pirna, Heidenau und Freital zu einem "Wohnungsmarkttyp" zusammengefasst. Auch hierin konnte das Gericht keinen homogenen Vergleichsraum sehen. Zwischen Freital einerseits und Pirna/Heidenau andererseits lägen weitere Gemeinden und es bestehe weder eine direkte Bahnverbindung noch eine solche über eine Bundesstraße. Das SG sah keine Möglichkeit, anhand der vom Landkreis erhobenen Daten einen eigenen Vergleichsraum zu bilden.
Aussonderung kleiner Wohnungen aus Berechnung nicht rechtens
Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge habe ferner alle Wohnungen, die kleiner als 30 Quadratmeter sind, aus dem Datensatz ausgesondert. Allerdings befänden sich im Landkreis viele Ein-Raum-Wohnungen in Plattenbauten, die geringfügig kleiner als 30 Quadratmeter sind. Diese hätten in die Berechnung einbezogen werden müssen, betont das SG. Kleine Wohnungen hätten im Verhältnis oftmals einen höheren Preis pro Quadratmeter.
Datenerhebung ohne nachvollziehbare Begründung zu weit eingeengt
Der Landkreis habe ferner nur 33% des ermittelten Marktvolumens bei der Berechnung berücksichtigt. Damit sei die Datenerhebung ohne nachvollziehbare Begründung zu weit eingeengt worden. Schließlich habe der Landkreis 2014 sein Konzept von 2012 fortgeschrieben, indem er die Werte der Mietentwicklung in ganz Sachsen angepasst hat. Dieser Index sei für die Feststellung der Preisentwicklung im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ungeeignet. Der Wohnungsmarkt in Heidenau entwickele sich möglicherweise ganz anders als die Mietpreise im Durchschnitt des gesamten Freistaates.
Volle Unterkunftskosten zu erstatten
Die Klägerin hat laut SG daher Anspruch auf Kostenerstattung bis zur Grenze des Wertes der Wohngeldtabelle plus 10%. Dies ergebe in Heidenau bis 2015 eine Deckelung auf 363 Euro für Alleinstehende. Da die Bruttokaltmiete der Klägerin diesen Wert gerade noch unterschritt, hat das SG das Jobcenter zur Erstattung der vollen Unterkunftskosten verurteilt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit hat es die Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht in Chemnitz zugelassen.