Zweifel an Beweiswert von Quartalszeitprofilen für ärztliche Abrechnungen

Das Sozialgericht Dresden sieht den Beweiswert von Quartalszeitprofilen kritisch. Allein wegen der Überschreitung der Quartalszeitfonds dürfe nicht von einer Falschabrechnung ausgegangen werden, so das Gericht im Fall der Abrechnung einer Neurologin. Denn es sei nicht erkennbar, dass die Prüfzeiten für die nervenärztlichen Grund- und Mitbetreuungspauschalen in einem transparenten Verfahren auf einer verlässlichen Datengrundlage zustande gekommen seien.

Falschabrechnung allein wegen Überschreitung der Quartalszeitfonds erwiesen?

Die Klägerin, eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, hatte für die Jahre 2012 bis 2016 Leistungen in einem Umfang abgerechnet, der unter Ansatz der Prüfzeiten nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) einer Arbeitszeit von deutlich mehr als 1.000 Stunden pro Quartal oder 77 Stunden pro Woche entsprochen hätte. Daraufhin hat die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen eine Plausibilitätsprüfung bei ihr veranlasst. Ohne einen konkreten Abrechnungsfehler zu benennen, ging die Kassenärztliche Vereinigung im Ergebnis der Prüfung davon aus, dass die Klägerin ihre Leistungen nicht so wie abgerechnet ordnungsgemäß erbracht haben könne. Für die geprüften 15 Quartale wurden deshalb insgesamt 316.000 Euro Honorar zurückgefordert. Begründet wurde dies damit, dass die Prüfzeiten verbindlich einen im Durchschnitt nicht zu unterbietenden Mindestzeitaufwand beschrieben und deshalb allein die Überschreitung der Quartalszeitfonds die Falschabrechnung beweise. Die Klägerin hielt dem entgegen, dass sie deutlich mehr Patienten als ihre Fachkollegen zu versorgen habe und sie nicht die im EBM ausgewiesene Zeit benötige, um diese vollständig und richtig zu behandeln.

Falschabrechnung nicht erwiesen: SG hebt Honorarrückforderungen auf

Das Gericht gab der Klage statt und hob die Honorarrückforderungen auf. Die Überschreitung der Zeitgrenzen ergebe sich nicht schon aus der Addition der vom EBM vorgeschriebenen Mindestzeiten für Arzt-Patienten-Gespräche oder konkrete zeitaufwändige Behandlungsmaßnahmen, sondern erst aus der Einbeziehung der nervenärztlichen Grund- und Mitbetreuungspauschalen. Deren Prüfzeiten wiesen aber keine klare Korrelation zum obligaten Leistungsinhalt auf. Die Feststellung einer Falschabrechnung allein aufgrund der Zeitprofile setze voraus, dass die darin eingeflossenen Prüfzeiten in einem transparenten Verfahren auf einer verlässlichen Datengrundlage zustande gekommen seien. Das sei bei den hier Ausschlag gebenden Pauschalen nicht erkennbar. Die Kassenärztliche Vereinigung hätte daher aus Sicht des SG auch weitere Behandlungsunterlagen prüfen müssen.

Kassenärztliche Vereinigung kann Tiefenprüfung noch nachholen

Trotz des Erfolgs der Klage in erster Instanz ist die Sache für die Ärztin noch nicht ausgestanden. Das Gericht stellte zugleich klar, dass eine aus seiner Sicht gebotene Tiefenprüfung durch die Kassenärztliche Vereinigung noch nachholbar ist. Gegen die Urteile wurde Berufung eingelegt. Diese sind beim Landessozialgericht Sachsen in Chemnitz unter den Aktenzeichen L 1 KA 14/22 und L 1 KA 15/22 anhängig.

SG Dresden, Urteil vom 07.09.2022 - S 25 KA 173/17

Redaktion beck-aktuell, 7. November 2022.