SG Detmold: Krankenkasse muss Krankengeld trotz verspäteter Vorlage der AU-Bescheinigung zahlen

Sofern der Arzt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht dem Versicherten aushändigt, sondern diese mit dafür von der Krankenkasse zur Verfügung gestellten Freiumschlägen direkt an die Kasse weiterleitet, muss die Krankenkasse auch dann Krankengeld an den Versicherten zahlen, wenn die Bescheinigung zu spät bei ihr eingeht. Dies hat das Sozialgericht Detmold mit jetzt veröffentlichtem Urteil vom 15.11.2017 im Fall einer 1957 geborenen Frau entschieden, die auch nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums krankgeschrieben war (Az.: S 5 KR 266/17, BeckRS 2017, 142548).

Arzt veranlasste Versendung an Krankenkasse

Die Frau hatte sich rechtzeitig zu ihrem Hausarzt begeben, um die Arbeitsunfähigkeit (AU) attestieren zu lassen. Der Arzt händigte das Formular, das für den Versicherten zur Vorlage bei seiner Krankenkasse bestimmt ist, aber nicht aus, sondern veranlasste die Versendung an die Krankenkasse selbst. Unter anderem hierfür hatte er zuvor von der Krankenkasse Freiumschläge zur Verfügung gestellt bekommen. Als die Bescheinigung erst nach Ablauf der einwöchigen Meldefrist bei der Beklagten einging, verweigerte diese die Zahlung von Krankengeld für die Zeit bis zur Vorlage der Bescheinigung.

Ausnahme von Obliegenheitsverpflichtung greift

Das SG teilt die Ansicht der Krankenkasse nicht. Zwar müsse der Versicherte grundsätzlich selbst für die rechtzeitige Meldung der AU sorgen. Von dieser Obliegenheitsverpflichtung gebe es jedoch Ausnahmen. Eine Ausnahme ergebe sich aus dem Gesetz über die Entgeltfortzahlung, da der Arzt danach verpflichtet ist, die AU der Krankenkasse zu melden. Treten Verzögerungen bei der Übermittlung der AU-Bescheinigung auf, müsse sich die Krankenkasse diese zurechnen lassen. Nach Auffassung der Richter greift diese Rechtsfolge auch dann, wenn der Arzt nach Ablauf der Entgeltfortzahlung ungefragt den Teil des Vordrucks der AU-Bescheinigung, der zur Vorlage bei der Krankenkasse bestimmt ist, nicht dem Versicherten aushändigt, sondern die Weiterleitung selbst übernimmt.

Krankenkasse trägt Risiko verspäteten Zugangs

Die Klägerin habe nämlich keine Möglichkeit gehabt, für den rechtzeitigen Zugang der Meldung zu sorgen. Sie sei insbesondere nicht verpflichtet gewesen, die Krankenkasse über das Fortbestehen der AU auf andere Weise zu informieren. Sie durfte sich nach Auffassung des Gerichts vielmehr darauf verlassen, dass der Arzt für eine rechtzeitige Übermittlung sorgt. Das SG wertete dabei den Umstand, dass die Krankenkasse der Arztpraxis Freiumschläge zur Verfügung stellt, als Hinweis für die berechtigte Nutzung dieses Übermittlungsweges. Der Arzt habe daher innerhalb seiner berufsrechtlichen Befugnisse als Vertragsarzt gehandelt. Dann aber liege das Risiko für den verspäteten Zugang der AU-Bescheinigung bei der Krankenkasse. Sie könne sich auch nicht darauf berufen, dass der für den Versicherten vorgesehene Vordruck den Hinweis enthält, dass eine verspätete Meldung zum Ausschluss von Krankengeld führen kann.

SG Detmold, Urteil vom 15.11.2017 - S 5 KR 266/17

Redaktion beck-aktuell, 28. Februar 2018.

Mehr zum Thema