SG Berlin: Keine Anerkennung höherer Unterkunftskosten aus religiösen Gründen

Das Jobcenter ist nicht verpflichtet, die volle Miete für eine Wohnung zu übernehmen, die von einer streng religiösen Familie in Kenntnis der unangemessen hohen Kosten bezogen wurde, um in der Nähe des von ihnen besuchten Gotteshauses wohnen zu können. Dies stellt das Sozialgericht Berlin in einem Eilrechtsverfahren klar (Beschluss vom 14.11.2017, Az.: S 162 AS 14273/17 ER, nicht rechtskräftig).

Hilfebedürftige Familie zieht in teure Mietwohnung

Die Antragsteller sind eine fünfköpfige Familie. Sie sind im Juli 2017 aus Israel nach Berlin-Charlottenburg in eine Fünfzimmerwohnung mit einer Monatsmiete von 2.200 Euro gezogen. Zugleich beantragten sie beim Antragsgegner, dem Jobcenter Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Jüdische Familie will am Schabbat keine Verkehrsmittel benutzen

Bereits vor dem Umzug hatten die Antragsteller den Antragsgegner mit Unterstützung des Jüdischen Bildungszentrums Chabad Lubawitsch gebeten, in ihrem Fall auch Mietkosten oberhalb des normalerweise Üblichen zu übernehmen. Sie seien jüdisch religiös und besuchten täglich die Synagoge des Bildungszentrums. Nach dem jüdischen Gesetz sei es – so die Auffassung des Rabbiners von Chabad Lubawitsch – nicht gestattet, am Schabbat und an den jüdischen Feiertagen mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Aus diesem Grund suchten die Antragsteller eine Wohnung in der Nähe der Synagoge. In dieser Gegend lägen die monatlichen Mieten aber leider oberhalb 1.800 Euro.

Jobcenter übernimmt nur Teil der Mietkosten

Der Antragsgegner gewährte daraufhin Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, übernahm allerdings nur die für angemessen erachteten Mietkosten in Höhe von rund 1.000 Euro. Mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begehrten die Antragsteller, den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen.

Eilrechtsschutz abgelehnt

Die Vorsitzende der 162. Kammer hat den Antrag als unbegründet abgelehnt. Es sei offensichtlich und bedürfe keiner näheren Begründung, dass die Wohnung der Antragsteller unangemessen teuer sei. Eine Anerkennung der vollen Unterkunftskosten scheide deshalb aus. Das Bundesverfassungsgericht habe gerade erst klargestellt, dass es keine staatliche Verpflichtung gebe, jedwede Unterkunft im Falle der Bedürftigkeit zu finanzieren (BeckRS 2017, 130811).

Kein Anspruch aus Glaubens- und Gewissensfreiheit

Auch die in Art. 4 GG geschützte Glaubens- und Gewissensfreiheit zwinge zu keiner anderen Betrachtung. Der Schutz der Verwirklichung und Betätigung der religiösen Überzeugung der Antragsteller werde durch das staatliche Handeln nicht tangiert. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei es zulässig, Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche auf das gesamte Berliner Stadtgebiet zu verweisen.

Auch übergangsweise Finanzierung ausgeschlossen

Eine übergangsweise Bewilligung der tatsächlichen Kosten für eine "Schonfrist" von sechs Monaten (im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II, sogenanntes Kostensenkungsverfahren) komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, so das SG. Den Antragstellern sei nämlich schon vor Abschluss des Mietvertrages bewusst gewesen, dass die Miete über den normalerweise anerkannten Höchstbeträgen liege. Dennoch hätten sie die Unterkunft "sehenden Auges" bezogen, ohne über die hierfür erforderlichen finanziellen Mittel zu verfügen.

Wohnung auch nicht erhaltenswert

Die Wohnung sei im übrigen auch nicht erhaltenswert, weil es nach dem Vortrag der Antragsteller und der Aktenlage unwahrscheinlich sei, dass sie in absehbarer Zeit kostendeckende Einkünfte erzielen werden. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Er kann von den Antragstellern mit der Beschwerde zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg angefochten werden.

SG Berlin, Beschluss vom 14.11.2017 - S 162 AS 14273/17 ER

Redaktion beck-aktuell, 20. November 2017.

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