Der beklagte Landschaftsverband hatte argumentiert, die Reha-Karre sei für eine soziale Teilhabe nicht zwingend erforderlich, denn die Frau verfüge über einen Aktivrollstuhl mit Unterstützungsantrieb, zudem hätten die Eltern ein behindertengerecht umgebautes Fahrzeug und die 36-Jährige könne ja auch öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Zwar räumte der Verband ein, dass Unternehmungen mit dem Fahrrad die Freizeitmöglichkeiten der Klägerin erweiterten, sie könne jedoch auch ohne das Hilfsmittel ein übliches Maß an gesellschaftlichen Kontakten pflegen.
Die Mutter der Frau hatte demgegenüber erklärt, Familie und Freundeskreis unternähmen immer mehr Fahrten mit dem Fahrrad, vor allem für Erledigungen in der Innenstadt von Aachen, aber auch Ausflüge in die Umgebung. Von diesen Unternehmungen sei ihre Tochter, die an spastischer Tetraparese und Tetraplegie leidet und gehbehindert ist, ohne Reha-Karre vollständig ausgeschlossen. Auch ihre Assistenzkräfte, die teilweise keinen Führerschein besäßen, seien in ihren Möglichkeiten der Freizeitplanung erheblich eingeschränkt.
Selbstbestimmte Freizeit nur mit Reha-Karre
Das SG Aachen sprach der Frau die Reha-Karre zu (Urteil vom 14.06.2024 - S 19 SO 112/23, nicht rechtskräftig). Sie sei erforderlich, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen.
Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, des behindertengerecht umgebauten Fahrzeugs oder des Aktiv-Rollstuhls seien auch keine Alternativen, die die Reha-Karre entbehrlich machten. Denn das grundrechtlich verbürgte Benachteiligungsverbot aus Art. 3 GG untersage es, behinderte Menschen von Betätigungen auszuschließen, die nicht Behinderten offenstehen, wenn nicht zwingende Gründe für einen solchen Ausschluss vorliegen. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau beinhalte, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Freizeit verbringen möchte.
Insbesondere die Anhörung der Mutter überzeugte das Gericht, dass ein Fahren mit der Reha-Karre, die von einem Fahrrad gezogen wird, zu den bevorzugten Freizeitgestaltungen ihrer Tochter gehöre. Von dieser Freizeitgestaltung mit ihrer Familie sowie mit ihren Assistenzkräften sei sie jedoch bislang aufgrund ihrer Behinderung ausgeschlossen. Ein Ausgleich dieser Benachteiligung könne nur durch die Bewilligung der Reha-Karre erfolgen.