Server-Ausfälle legen beA-Kommunikation vorübergehend lahm

Vergangene Woche wurden in mehreren Bundesländern Störungen des Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfaches (EGVP) gemeldet, in deren Folge die Gerichte, Staatsanwaltschaften und Registergerichte über mehrere Tage nicht erreichbar waren. Was ist Rechtsanwälten zu raten, wenn das Fristende naht und ein Versand des Schriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nicht möglich ist?

Verweis auf alternative Einreichungswege

Von der Störung betroffen waren alle Behördenpostfächer, die vom Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) mit Sitz in Düsseldorf gehostet werden. Dazu gehören neben Nordrhein-Westfalen auch die Bundesländer Baden-Württemberg und Saarland sowie der Bund. Die Störungen begannen am 18.04.2023 und hielten bis zum 21.04.2023 an. Auf dem beA-Support-Portal wurde darauf hingewiesen, dass derzeit nicht sichergestellt werden könne, dass Daten, die im besagten Zeitraum versendet wurden, auch tatsächlich beim adressierten Empfänger angekommen sind. Mittlerweile sei die Störung zwar behoben, die versandten Daten müssten aber erneut eingereicht werden, hieß es. Außerdem wurde am heutigen Tag bereits eine weitere "Großstörung in zentralen Systemen der Niedersächsischen Justiz" gemeldet, die nach aktuellem Stand bis zum 26.04.2023 anhalten dürfte. Für erneut einzureichende beziehungsweise eilige, fristwahrende Eingänge bei den Gerichten wird um Einreichung mit alternativen Methoden gebeten.

§ 130d ZPO regelt Möglichkeit der Ersatzeinreichung

Die Möglichkeit der Ersatzeinreichung ist in § 130d ZPO geregelt. Die übrigen Verfahrensordnungen – bis auf das BVerfGG – enthalten Parallelvorschriften, nämlich § 14b FamFG, § 46g ArbGG, § 65d SGG, § 55d VwGO, § 52d FGO und § 32d StPO (gegebenenfalls im Verbindung mit § 110c OWiG). Gemäß § 130d Satz 2 ZPO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften - also via Brief oder Telefax - zulässig, wenn eine elektronische Übermittlung vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich ist. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat alles rund um die Ersatzeinreichung auf einem Merkblatt zusammengefasst. Demnach sind Störungen sowohl in der Sphäre der Anwaltschaft denkbar als auch - wie letzte Woche - in der Sphäre der Justiz und hier insbesondere im EGVP-System. Letztere führe dazu,  dass die Empfangseinrichtungen im Sinne des § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO nicht zur Verfügung stehen. Denn ein elektronisches Dokument sei erst eingegangen, wenn es auf der für den Empfang  bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Steht diese nicht zur Verfügung oder ist diese aus dem beA-System heraus nicht erreichbar, liege eine technische Störung vor.

Vorübergehende Unmöglichkeit ist glaubhaft zu machen

Gemäß § 130d Satz 3 ZPO ist die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Zulässige Mittel der Glaubhaftmachung sind laut BRAK alle Beweismittel im Sinne von §§ 355 bis 455 ZPO, sofern sie präsent sind. Unzulässig sei daher das Angebot nicht mitgebrachter Zeugen, Urkundenbeweisantritt gemäß § 421 ZPO oder Bezugnahme auf vom Gericht erst einzuholende Auskünfte. Zulässige Mittel der Glaubhaftmachung seien weiter die Versicherung an Eides statt, auch des Beweisführers selbst, sowie sonstige geeignete Mittel wie die anwaltliche Versicherung, schriftliche Erklärung von Zeugen, Privatgutachten, (unbeglaubigte) Kopien oder Lichtbilder. Die Glaubhaftmachung sollte möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgen. Jedoch seien Situationen denkbar, in denen der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische  Einreichung nicht möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen. In diesem Fall sei die Glaubhaftmachung unverzüglich nachzuholen.

Einschlägige BGH-Rechtsprechung

Das Anwaltsblatt gibt einen ausführlichen Überblick über die aktuelle BGH-Rechtsprechung rund um die Ersatzeinreichung. So habe der XII. Zivilsenat im September 2022 deutlich gemacht, was er bei der Glaubhaft­machung erwartet – und dies seien keine an der Oberfläche bleibenden knappen Erklärungen. Erforderlich sei vielmehr eine aus sich her­aus ver­ständ­li­che, ge­schlos­se­ne Schil­de­rung der tat­säch­li­chen Ab­läu­fe oder Um­stän­de, deren Rich­tig­keit die Anwältin oder der Anwalt an­walt­lich ver­si­chern muss. Im November 2022 habe sodann der unter anderem für die Anwaltshaftung zuständige IX. Zivilsenat erstmals klargestellt, dass die Glaubhaftmachung gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung erfolgen müsse, sofern dies der Anwältin oder dem Anwalt möglich sei. Im Dezember 2022 habe der III. Zivilsenat ergänzt, dass die Nachholung der Glaubhaft­machung auf diejenigen Fälle beschränkt ist, bei denen erst kurz vor Fristablauf festge­stellt wird, dass eine elektro­nische Einreichung nicht mehr möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleit, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen. Und auch dann sei das Merkmal "unverzüglich" eng auszulegen. Wochenlang Zeit habe die Anwaltschaft jedenfalls nicht.

Redaktion beck-aktuell, 24. April 2023.