Schweden beendet Ermittlungen gegen Julian Assange

Fünf Jahre lang, seit dem Jahr 2012 hat Julian Assange keinen Fuß vor sein Botschaftsexil in London gesetzt, weil er seine Auslieferung fürchtete. Dann geht es am 19.05.2017 plötzlich Schlag auf Schlag: Die schwedischen Behörden verkünden, die Ermittlungen gegen den 45-Jährigen seien beendet. Die Botschaft verlässt Assange aber nicht - und die britischen Behörden machen klar, dass sie weiter ermitteln.

Scotland Yard würde Assange festnehmen

Alle warten auf Julian Assange. Aber am 19.05.2017 guckt erstmal nur die Botschaftskatze, die einen mit Herzen verzierten Schlips trägt, aus dem Fenster. Die Bürgersteige sind voller Journalisten, die Polizei ist da, direkt nebenan liegt das Kaufhaus Harrods. Vor fast fünf Jahren hat sich der Wikileaks-Gründer in die ecuadorianische Botschaft in London geflüchtet. Setzt er einen Fuß vor die Tür, wird ihn Scotland Yard festnehmen. Jahrelang hatten sich schwedische Staatsanwälte ein juristisches Tauziehen mit Assanges Anwälten geliefert. In Schweden soll der Australier 2010 eine Frau vergewaltigt haben. Weitere Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen Assange sind bereits verjährt. Der beteuerte seine Unschuld und versuchte immer wieder, eine Aufhebung des Haftbefehls zu erreichen.

Schwedens Behörden sehen keine Möglichkeiten für weitere Ermittlungen

Am 19.05.2017 hatten schwedische Behörden verkündet, die Ermittlungen seien beendet. Der Verdacht gegen Assange sei zwar nicht aus der Welt, machte Anklägerin Marianne Ny klar. Doch ohne, dass Assange sich in Schweden einem Prozess stellt, treten die Staatsanwälte in dem Fall auf der Stelle: "Wir sehen keine Möglichkeiten, die Ermittlungen weiter voranzutreiben."

Assange freut sich - Londoner Polizei ermittelt weiter

"Ernsthaft? Oh mein Gott", freute sich Assange nach Angaben seines Anwalts. Dazu twitterte er ein Bild von sich, auf dem er in die Kamera strahlt. Doch das heißt nicht, dass er ein freier Mann ist. Denn kurz darauf stellte die Londoner Polizei klar: Assange wird immer noch gesucht - aber wegen eines "viel weniger schweren" Vergehens. Damit dürfte ein Verstoß gegen die Auflagen gemeint sein, die der Australier 2012 hatte. Damals war er auf Kaution frei.

Vor fünf Jahren in Botschaft geflüchtet

Ob er das Londoner Exil mit der Adresse 3 Hans Crescent jetzt trotzdem verlassen wird? Oder zeigt er sich den Kameras wenigstens auf dem Balkon im ersten Stock wie 2012 und 2015? Vor fünf Jahren war Assange in die Botschaft geflüchtet, weil er fürchtete, dass Schweden ihn an die USA ausliefern könnte. Dort gab es zuletzt Spekulationen darüber, dass die Behörden wegen der Enthüllungen seiner Plattform Wikileaks eine Anklage gegen ihn vorbereiten könnten. Sie machen ihn dafür verantwortlich, dass brisante Dokumente aus den Kriegen in Afghanistan und im Irak an die Öffentlichkeit gelangten. Auf seinem Twitter-Account nennt sich Assange "Flüchtling" und lässt sein Gastland hochleben: "Viva el Ecuador!"

Politischer Aktivist mit Fans und Feinden

Die einen halten Assange für einen Aufklärer und Robin Hood der Internetwelt, die anderen für einen Selbstdarsteller, der mit Wikileaks sogar das Leben von Menschen aufs Spiel gesetzt hat. Als politischer Aktivist ist er längst Zeitgeschichte und Teil der Popkultur. Benedict Cumberbatch hat ihn in einem Film gespielt. Lady Gaga hat ihn interviewt, auch der US-Bürgerrechtler Jesse Jackson und der Filmemacher Michael Moore besuchten ihn. Vivienne Westwood erzählte einmal: "Ich quetsche ihn nach neuen Ideen aus. Ich denke, er ist genial." Der Botschafts-Kaffee sei wirklich gut.

Beengte Verhältnisse

Nach Medienberichten lebt Assange in seinem Exil auf zwanzig Quadratmetern. Gemeinsam mit der Katze, die ihm seine Kinder geschenkt haben, wie die britische BBC berichtet. Gut geht es dem Wikileaks-Gründer dort aber laut seiner Mutter nicht: "Sein Körper gibt langsam auf, er hat schon Herzprobleme, eine chronische Lungenentzündung und schwere Schulterschmerzen", hatte sie dem australischen Rundfunksender ABC im Februar 2016 gesagt.

Katz-und-Maus-Spiel geht weiter

Dazu, ob und wann Assange nach der Entscheidung vom 19.05.2017 die Botschaft verlassen wird, will sein schwedischer Anwalt Per E. Samuelson aber nichts sagen. "Ich weiß nur, dass Schweden ihn nicht daran hindert, das zu tun. Schweden ist aus dem Spiel." Es scheint, dass der Fall für die Skandinavier damit abgeschlossen ist. Doch das Katz-und Maus-Spiel geht weiter.

Redaktion beck-aktuell, Caroline Bock und Julia Wäschenbach, 22. Mai 2017 (dpa).

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