Jens Reddig, Richter am Bundesfinanzhof, sieht eine erhebliche Breitenwirkung des Urteils seines IX. Senats. "Laut ChatGPT gibt es rund 1,8 Millionen Wohnungseigentümergemeinschaften und 15 Millionen Eigentumswohnungen", sagte er auf der Jahrespresskonferenz seines Gerichts in München. Geklagt hatte ein Ehepaar, das zwei solcher Behausungen vermietete.
Anders als das Finanzamt und das FG Nürnberg fand es, die vorgeschriebenen Hausgeldzahlungen für die Erhaltungsrücklage (früher Instandhaltungsrückstellung genannt) könnten seit der großen Reform des Wohnungseigentumsgesetzes von 2020 sofort als Werbungskosten geltend gemacht werden. Denn seither hat die Eigentümergemeinschaft volle Rechtsfähigkeit und ist damit juristisch eigenständig.
"Sparstrumpfphase" zählt nicht
Das lehnten die obersten Steuerrichter nun aber ab (Urteil vom 14.01.2025 – IX R 19/24). Wie schon 1988 – also zur früheren Lage im Wohnungseigentumsrecht – befanden sie: Zum Zeitpunkt der Einzahlung beispielsweise im Rahmen des regelmäßigen Hausgelds sei diese noch nicht abziehbar. Sondern erst dann, wenn Mittel entnommen würden, um Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Denn der Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG fordere einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Vermietungstätigkeit und den Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Das klagende Ehepaar habe diesen Teil des Hausgeldes zwar erbracht und könne darauf somit nicht mehr zurückgreifen, weil das Geld ausschließlich der Gemeinschaft gehört. "Auslösender Moment für die Zahlung war aber nicht die Vermietung, sondern die rechtliche Pflicht jedes Wohnungseigentümers, am Aufbau und an der Aufrechterhaltung einer angemessenen Rücklage für die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums mitzuwirken."
Ein Zusammenhang zur Vermietung entsteht demnach erst, wenn die Gemeinschaft die angesammelten Mittel für Erhaltungsmaßnahmen verausgabt: "Erst dann kommen sie der Immobilie zugute." Was Reddig so auf den Punkt brachte: Die Rücklage sei das Sparbuch der gesamten Immobilieneigner. In der Steuererklärung geltend gemacht werden könnten die Beiträge aber nicht schon in der "Ansparphase", sondern erst dann, wenn das Geld in der "Verausgabungsphase" dem "Sparstrumpf" entnommen werde. Dafür spreche auch, dass bei einem Verkauf der Wohnung die vorhandene Rücklage typischerweise auf den Preis aufgeschlagen werde.
Immer weniger Fälle
Gerichtspräsident Hans-Josef Thesling nannte es in seinen Eingangsworten zur Jahrespressekonferenz einen Wermutstropfen, dass der BFH zwar zunehmend elektronisch arbeite, von der Finanzverwaltung aber immer noch Akten zugesandt bekomme. So sei mittlerweile bei über 40% der mündlichen Verhandlungen mindestens eine Seite per Video zugeschaltet. Auch prüfe man die Einsatzmöglichkeiten von KI. Aber schon allein wegen der Gefahr eines unberechtigten Abflusses von Daten sei da nicht so schnell etwas zu erwarten; am ehesten sei mit deren Einsatz bei der Recherche von Rechtsprechung und Fachliteratur zu rechnen.
Die Eingänge neuer Fälle seien seit Jahren enorm rückläufig, berichtete Thesling – insbesondere im "Kerngeschäft", den Revisionen. Lagen sie im vergangenen Jahr bei allen Verfahrensarten zusammen bei knapp 1.750* (davon 348 Revisionen), waren dies etwa 1990 noch fast 4.000. Die Streitlust gehe allgemein zurück, kommentierte Deutschlands oberster Steuerrichter dies. Zudem erledige die Finanzverwaltung inzwischen zunehmend computergesteuert ihre Arbeit und gewichte dabei stark nach ökonomischer Bedeutung: Viele Konflikte würden außergerichtlich nach einem Einspruch bereinigt. Dementsprechend konnten 2024 knapp 2.000 Verfahren abgeschlossen werden, und dies mit einer Dauer von durchschnittlich zehn Monaten; Revisionen benötigten allerdings im Mittel fast zwei Jahre. Die "Erfolgsquote", bei der Steuerbürger zumindest teilweise recht bekamen, lag bei Revisionen konstant bei 44%. Dass diese hingegen bei Nichtzulassungsbeschwerden nur 14% betrug, veranlasste den Gerichtschef zu einer vorsichtigen Mahnung an den Gesetzgeber, die Voraussetzungen für deren Erfolg zu lockern.
*Transparenzhinweis: Diese Zahl korrigiert am 26.2.2015, 15.50 Uhr. jja.