Schäuble: Enthaltungen künftig als nicht abgegebene Stimme werten
Schäuble nahm Anstoß an der Arbeit des Bundesrates, in dem die 16 Bundesländer mit derzeit 13 Koalitionsvarianten vertreten sind. Die Vielfalt führt oft zu Enthaltungen, weil dies die Koalitionsverträge in den Ländern bei Nichteinigkeit so vorsehen. Schäuble will Enthaltungen künftig als nicht abgegebene Stimmen werten, wie er in der "Süddeutschen Zeitung" (Wochenende) erläuterte. Bisher wirkten sie in der Praxis wie "Nein"-Stimmen, deshalb gebe "regelmäßig eine satte Enthaltungsmehrheit". Eine Zählung von Enthaltungen als nicht abgegebene Stimmen würde "schlagartig vieles ändern, die Landesregierungen müssten dann Entscheidungen treffen", glaubt Schäuble. Ganz neu ist seine Idee nicht. Schon 2008 hatte er sie als Bundesinnenminister vorgebracht.
Kompetenzen von Bund und Ländern entflechten
Schäuble zeigte sich generell besorgt über den Zustand des Föderalismus. Es gebe "ein ziemliches Kompetenzwirrwarr und eine intransparente föderale Finanzverflechtung". Deshalb könnten sich Bund und Länder "oft nur noch auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen". Daher sollten Kompetenzen zwischen Bund und Ländern entflochten werden. Auch sollten aus Schäubles Sicht die Länder "einen deutlich höheren Spielraum" erhalten, eigene Steuern einzuführen. In einer Föderalismus-Reform von 2006 wurde bereits eine Reihe von Kompetenzen zwischen Bund und Länder klarer geregelt. 2009 folgte eine Neuregelung der Finanzbeziehungen. Nun beklagte Schäuble aber eine "Rückabwicklung". So mache der Digitalpakt für die Schulen vieles komplizierter.
Erste Reaktionen aus Ländern eher verhalten
Die Chancen auf eine Reform der Abstimmungsregeln im Bundesrat stehen nicht besonders gut, wie erste Reaktionen aus den Ländern zeigen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte der "Süddeutschen Zeitung", eine solche Änderung wäre ein "ganz grundlegendes Manöver". "Ich weiß nicht, wie Landesregierungen dann noch gedeihlich funktionieren sollen", sagte Kretschmann. Sein Stellvertreter in der Landesregierung, CDU-Bundesvize Thomas Strobl, ergriff dagegen Partei für Schäuble. "In der Politik will man gestalten, das macht man nicht, indem man sich enthält und raushält", sagte Strobl der Deutschen Presse-Agentur. Berlins Regierender Bürgermeister Müller gab zu bedenken, die Verfahren seien "sensibel austariert". "Das muss bei jeder Änderung bedacht werden", sagte der SPD-Politiker der dpa. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nannte es zwar sinnvoll, über vereinfachte Abstimmungsverfahren nachzudenken. "Dieser Vorschlag von Wolfgang Schäuble gehört jedoch nicht dazu." Bundesländer würden schlicht mit "Nein" stimmen statt sich zu enthalten, vermutete Woidke. Kritisch äußerten sich auch Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).